Der General und die Gnade Gottes

wc_14004_305x445@2x

“Nur lassen Sie mein Leben nicht verloren gehen!” ist die inbrünstige, religiös konnotierte Bitte aus einem Gnadengesuch an General Wille im Jahr 1917. Es ist auch Teil des Titels der neu veröffentlichten Dissertation der Militärhistorikerin Lea Moliterni Eberle (2019, NZZ Libro).

Lea Moliterni hat einen Fundus von mehreren Tausend Dokumenten im Bundesarchiv bearbeitet. Dieser beinhaltet Korrespondenz im Zusammenhang mit Gnadengesuchen von Militärangehörigen und Zivilisten, die unter dem Regime der Militärjustiz während des Ersten Weltkrieges verurteilt wurden. In ihrer systematischen Untersuchung hat Lea Moliterni anhand eines ausgewählten Testfalls eine Methodik entwickelt, um die Lebensgeschichten von 38 Verurteilten zu beleuchten. Ebenso wichtig war es ihr, Grundwerte der Reaktionen und Antworten des damaligen Gnadenherrn sichtbar zu machen.

Ulrich Wille ist der Angelpunkt dieser Arbeit. Als er beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum Befehlshaber der Schweizerischen Armee bestimmt wurde, konnte er nicht ahnen, dass ein substantieller Teil seiner täglichen Arbeit nicht darin bestand, strategische Truppenverschiebungen zur Verteidigung eines Vaterlandes und Angriffe gegen Feinde zu befehlen. Die besondere Rechtslage am Anfang des 20. Jahrhunderts, mit einem veralteten, inadäquaten Militärstrafrecht, bescherte ihm auch die Aufgabe des Gnadenherrn. Durch eine bundesrätliche Verordnung wurden während den Kriegsjahren faktisch die gesamte erwachsene Bevölkerung, Frauen und Männer, Zivilisten und Militärangehörige, dem Militärstrafrecht unterstellt.

Plötzlich hatte es der General sehr intensiv mit Menschen zu tun, die nicht Offiziere und Soldaten waren. Die drastischen Strafmasse des damals geltenden Rechts erhöhten in vielen Fällen eine Not, die durch die kriegerischen Zeitgeschehnisse in Europa und die Mobilmachung in der Schweiz, weite Teile der Bevölkerung betraf. Ulrich Wille — abstammungsmässig Schweizer, strammer preussischer Offizier mit nobler Verwandtschaft, und nicht als volksverbunden bekannt — wurde nun täglich mit Anliegen konfrontiert, die das Alltagsleben von ihm unzugänglichen sozialen Schichten anschaulich und manchmal dramatisch illustrierten.

Lea Moliterni untersucht im Detail die unterschiedlichen Strategien, mit denen die Bittsteller und Bittstellerinnen dem General ihre Anliegen nahegelegt haben. Sie beschreibt Muster und Parallelen anhand von Fällen, die von der Tötung mit einer Dienstwaffe bis zur Benutzung des eigenen Fahrrades alles umfassen, was das tägliche Leben bescherte. Dabei wird ersichtlich, dass der General in breiten Schichten des Volkes ein sehr hohes Ansehen genoss. Im Besonderen ausserhalb der militärischen Hierarchie wird seine Stellung oft nahezu religiös enthoben (und machtvoll) verstanden.

Das hängt sicher damit zusammen, dass der Zuspruch von Gnade für viele Menschen damals nicht einer weltlichen Kompetenz entsprang. Wenn, dann war sie vermittelt durch geweihte Würdenträger. Lea Moliterni verzichtet darauf, solche spirituellen Hintergründe, und speziell das entsprechende Selbstverständnis des Gnadenherrns, in ihrer Arbeit näher auszuarbeiten.

Betont wird die Erkenntnis, dass Ulrich Wille in verschiedener Hinsicht mit den Gnadenentscheiden ausgleichend handelte, und damit die ihm bekannte Welt ein Stück besser machte. Der General schien in seinen Entscheiden auch innerer Wandel und Reue bei den Verurteilten zu belohnen. Andere Gefühlsbekundungen in den Gesuchen hatten weit weniger Wirkung. Diese Seiten seines Handeln können durchaus verstanden werden als Gottes Wirken im Leben des Generals.

Lea Moliterni zeigt gleichzeitig auf, wie eigenwillig der General, der einiges der Korrespondenz selber zu erledigen schien, auf die unterschiedlichen Gnadengesuche und Anliegen reagierte. Sie revidiert das Bild eines sturen Befehlshabers und illustriert eine facettenreiche Seite eines durchaus emotional berührbaren und menschlich handelnden Mitbürgers. Und sie schafft es, die beinahe 500 Seiten auch für die Leserschaft ausserhalb einer spezialisierten Disziplin lesbar, anschaulich und interessant zu schreiben.

Leseprobe

Assumption of Mary?

Feast Day of The Assumption of the Blessed Virgin Mary, 2008 by Stephen B Whatley
Feast Day of the Assumption of the Blessed Mary by Stephen B. Whatley, 2008

This day we are gathered to celebrate the feast day of the Assumption of Mary into Heaven:

The bodily taking up of the Virgin Mary into heaven at the end of her earthly life, as it was long accepted by the faithful and frequently depicted in art, as on the main altar in the church of the Capuchin friary in Schwyz (Switzerland), was relatively recently defined as church dogma in the Roman Catholic Church by Pope Pius XXII in 1950.
For the painter, it was likely an appreciation for and recognition of an exceptional woman, the mother of historic Jesus – an expression of the experienced holiness of Mary.

In Christianity, holiness is the place where the profane and the sacred meet, “a religious experience, which is based on extraordinary strengths held by human being that give him or her special religious authority” (Filoramo, 2013).

In today’s gospel text (Luke,1.46-55) we read the words of the magnificat, Continue reading “Assumption of Mary?”

Mariä Himmelfahrt?

tizian_041
Tizian (um 1516), Mariä Himmelfahrt (photo credit: Wikimedia.org)

Heute sind wir hier versammelt, um das Fest Mariä Himmelfahrt zu feiern:

Viele Leute fahren am einem Festtag vielleicht ins Tessin, …Umweltbewusste fahren mit dem Zug, …andere fahren auf etwas Bestimmtes ab. Aber “himmelfahren” ist nicht mehr etwas allgemein Verständliches in meinem Sprachgebrauch.

Die leibliche Aufnahme Marias in den Himmel, wie sie lange im Verständnis des gläubigen Volkes verankert war und bildlich dargestellt ist zum Beispiel am Hochaltar der Kapuzinerkirche Schwyz, ist erst vor wenigen Jahrzehnten als Glaubenssatz der katholischen Kirche festgelegt worden (Papst Pius XII, 1950).
Für den Maler war die Szene wohl ein Ausdruck der Wertschätzung und Anerkennung für eine aussergewöhnliche Frau, für die Mutter des historischen Jesus – ein Ausdruck für die erlebte Heiligkeit Marias.

Die Heiligkeit ist im Christentum ein Ort wo das Profane und das Sakrale zusammenkommen, “eine religiöse Erfahrung, die auf der Annahme beruht, dass die ausserordentlichen Kräfte, die ein Mensch besitzt, ihr oder ihm besondere religiöse Autorität verleiht” (Filoramo, 2013)

Im heutigen Evangeliumstext (Lukas, 1.46-55) lesen wir die Worte des Magnifikats, Continue reading “Mariä Himmelfahrt?”