Neue Gemeinschaften braucht das Land.

Wohngemeinschaft für den letzten Lebensabschnitt im Tenna Hospiz (photo credit: Ruben Weber)

for an English version, see below

Ich habe seit meinen Teenage Jahren ein Interesse am Leben in Gemeinschaft, aus spirituellen und politischen Gründen. Deshalb ist mir die Auseinandersetzung um die Weiterführung des Klosters Wonnenstein aufgefallen. Als fernab lebender Laie erkenne ich in diesem Spiel um Macht und Einfluss dieselben Mechanismen, die mich bewegt haben, 1979 aus der katholischen Landeskirche auszutreten: Eine Kirchgemeindeversammlung hörte sich an wie die GV einer Immobilienfirma.

Kathrin Klette stellt im Artikel “Die rebellische Nonne vom Kloster Wonnenstein” (NZZ, 23. April 2023) die Frage, welche Funktionen ein Kloster heute noch habe. Alle genannten Nutzungsvorschläge entspringen einer romantisierenden Vorstellung oder einer ausbeuterischen Absicht gegen die spirituellen Kräfte des Ortes. Und dem Geld verdienen. Klostergemeinschaften hatten zum Ziel – zum Wohle aller – Kraft aus dem Dialog mit dem Göttlichen zu schöpfen – nicht abzuschöpfen. Die assoziierten Missbräuche durch die Kirchen sind hinlänglich bekannt – vom Ablasshandel bis zur Gratisarbeit.

Ich bin weiterhin überzeugt, dass ein Leben in Gemeinschaft ein Lebensentwurf ist für die heutige Zeit. Eine kirchliche Institution braucht es dazu nicht. Etwas Glauben jedoch schon.

Dass dieser Wunsch gegenläufig ist zum Zeitgeist, zeigen die Schwierigkeiten für die Besetzung einer zivilgesellschaftlichen Wohn- und Arbeitsgemeinschaft für den letzten Lebensabschnitt im Safiental: Die Form (Idee) spricht viele an, doch das hyper-individualistische Leben im Überfluss eintauschen für eine sinnstiftende Beteiligung und für die Überwindung der eigenen existentiellen Einsamkeit kann sich kaum jemand aktiv vorstellen. 

Ich wünsche der verbleibenden Schwester ihren Weg mit Gott zu gehen – die Liegenschaften werden dann schon gewinnbringend verteilt. Allen andern wünsche ich den Mut, sich von der chronischen Affluenza zu befreien.

Als Leserbrief in der Print Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom 28. April 2023 veröffentlicht

In English:

New Communities are Needed

I have had an interest in communal living since my teens, for spiritual and political reasons.That’s why the controversy over the continuation of the Wonnenstein monastery caught my attention. As a layman living far away, I recognize in this game of power and influence the same mechanisms that moved me to leave the national Catholic church in 1979: A parish meeting sounded like the AGM of a real estate company.

In the article “Die rebellische Nonne vom Kloster Wonnenstein” (NZZ, April 23, 2023), Kathrin Klette asks what functions a monastery still has today. All of the mentioned suggestions spring from a romanticizing notion or an exploitative intention against the spiritual forces of the place. And to make money. Monastic communities had as their goal – for the common good – to draw strength from a dialogue with the divine – not to siphon it off. The associated abuses by the churches are well known – from selling indulgences to unpaid labor.

I remain convinced that living in community is a way of life for today. A church institution is not needed for this. A little faith, however, is.

This wish is contrary to the zeitgeist. This is shown by the difficulties recruiting for of a civil-society initiative with a communal residence for the last phase of life in the Safiental (Switzerland): The form (idea) appeals to many, but hardly anyone can actively imagine to trade their hyper-individualistic life in abundance for a meaningful participation and for overcoming one’s own existential loneliness.

I wish the remaining sister at Wonnenstein to go her way with God – the real estate of her monastery will then readily be distributed for profit. To all others, I wish the courage to free themselves from chronic affluenza.

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