Manuskript

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Diskussionsthema: Aufruf zur Totalverweigerung und zur Gründung eines Friedenskollektivs

DER ERSTE FRIEDE

Der erste Friede, der wichtigste ist der, welcher in die

Seelen der Menschen einzieht, wenn sie ihre Verwandt

schaft, ihre Harmonie mit dem Universum einsehen und

wissen, dass im Mittelpunkt der Welt das Grosse Geheimnis

wohnt, und dass diese tatsächlich überall ist. Sie ist

in jedem von uns. Dies ist der wirkliche Friede. Alle

andern sind lediglich Spiegelungen davon.

Der zweite Friede ist der, welcher zwischen Einzelnen

geschlossen wird und der dritte ist der zwischen Völkern.

Doch vor allem sollt ihr sehn, dass es nie Frieden zwischen

Völkern geben kann, wenn nicht der erste Frieden vorhanden

ist, welcher wie ich schon oft sagte, innerhalb der Menschen-

seelen wohnt.

Hehaka Sapa

Die Idee zu diesem Aufruf zur Totalverweigerung und zur Gründung eines Friedenskollektivs geht davon aus, dass heute mit vielen Initiativen und Abstimmungskämpfen zwar durchaus eine sehr breite Diskussion zu einem Thema kann in Gang gesetzt werden.

Diesen Vorgang konnten wir in den letzten Jahren doch einige Male beobachten, zB anhand von Energie-, Zivildienst- und einigen anderen Vorlagen. Dennoch glaube ich nicht, dass dabei je eine echte Auseinandersetzung stattgefunden hat, denn innerhalb einer echten Diskussion können sich Leute mit verschiedensten Standpunkten durchaus näher kommen. Doch gerade dieses Element war auf der politischen Ebene in letzter Zeit nie mehr festzustellen. Die Fronten sind gebildet, die beiden lager organisiert. Darum finde ich, dass es heute nötiger denn je ist, dass sich endlich eine Gruppe von Menschen bildet, die die gesittete Normalität und das kriecherische Anpassertum überwindet und die volle Radikalität zu leben versucht.

… aber niemand getraut sich, über seine Beschränktheit hinauszukommen.

In der gesamten linken Opposition und der grün-alternativen Bewegung werden immer wieder kleine Schritte des Umkehrs gemacht. JedeR macht für sich wieder Fortschritte, im privaten Bereich, aber niemand getraut sich über diese Beschränktheit hinauszukommen.

Es ist kaum möglich, einen gemeinsamen Kampf aufzunehmen, zum Beispiel beim Militär eine Kollektivverweigerung. So geht es auch in anderen Bereichen, jedeR muss doch Rücksicht nehmen aus seine/ihre spezielle Situation und kann deshalb, obwohl die gemeinsame Idee durchaus befürwortet wird, nicht an einer kollektiven Aktion teilnehmen. Darum muss ich heute sagen: Sind wir nicht alle zusammen HosenscheisserInnen und BünzlibürgerInnen? Nach vorne bis zur Nasenspitze und nach hinten bis zum Geldbeutel reicht unser Spektrum, innerhalb dessen wir bereit sind uns zu ändern. 

Wir alle haben das Vertrauen in eine echte Gemeinschaft verloren, die bereit ist jedeN einzelneN zu tragen, egal wie gut oder wie mies es ihr/ihm geht; die bereit ist auch das Leiden zu teilen, zum Beispiel im Kampf um die Radikalität. Nur allzu schnell führt dieser Weg in die Illegalität, doch da beginnt plötzlich wieder jedeR sich selbst zu schützen.

Warum eigentlich kann das Allgemeinwohl heute nicht mehr höher eingeschätzt werden als das private Wohlergehen? Wir hocken alle in einer Zweierkiste oder einer anderen Gemeinschaft, aber im Grunde genommen schaut jedeR für sich, Hauptsache, er/sie kann gut leben, Hauptsache, das geistige und physische Wohl ist garantiert. 

Man/frau denkt schon an die Zukunft und an die kommenden Generationen, man/frau sieht auch, dass wir die Verantwortung tragen sollen für die Weiterexistenz des Lebens überhaupt. Und jedeR ist zufrieden , wenn sie/er einen kleinen Beitrag an das umfassende Ziel geleistet hat, wenn sie/er zum Beispiel kein Fleisch mehr isst, dafür aber nicht auf die Elektrizität oder das Auto verzichten kann. Aber immerhin, so tönt es beruhigend, sei ein kleiner Schritt immer besser als gar keiner. Also nimmt sich heute jedeR aus dem grossen Korb der verschiedenste Möglichkeiten die Massnahme heraus, die sie/er, ohne dass es ihr/ihm eine grosse Überwindung kosten würde, realisieren kann.

EineR verzichtet auf das Fleisch in der Ernährung, der/die andere fährt nur mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, und die/der dritte arbeitet für einen Tausender in einem Alternativbetrieb. All dies sind Schritte hin zu einer Veränderung, aber sie gehen alle nur so weit, als sie uns nicht zu persönlich und vor allem nicht unsere Sicherheit tangieren.

Es würde mich nicht wundern, wenn die Migros bis in zehn Jahren nur noch Bio-Gemüse verkaufte würde.

Da stellt sich doch ernsthaft die Frage, ob damit auf die Dauer auch nur jemandem geholfen werden kann. Bewirkt diese egoistische Handlungsweise noch etwas mehr, als dass sie unser Gewissen beruhigt? Wird dadurch irgendetwas in Frage gestellt? Wird auch nur eine der Institutionen, die uns als übermässige Machtstrukturen entgegentreten, dadurch betroffen?

Nein, mit dieser unkoordinierten Handlungsweise tun wir niemandem weh. Wir können zwar wunderschöne Geschichten schreiben, über Zusammenhänge aufklären, alle möglichen Institutionen angreifen, doch diese sind so weltoffen, dass sie diese Kritik auch einstecken können. Denn sie wissen zu genau, dass die gesamte Alternativbewegung nur immer von den gesellschaftlichen Veränderungen spricht, dass sie aber trotzdem abhängig bleiben wird von den Konzernen und dem Staat.

So passiert denn auch nichts gegen den Willen dieser Machtträger, sie gehen im Gegenteil sogar auf gewisse Forderungen unsererseits ein. Es würde mich nicht wundern, wenn die Migros bis in zehn Jahren nur noch Bio-Gemüse anbieten und verkaufen würde. Eine absolut realistische Vorstellung. Und dann würde das Hurra-Geschrei auf der Seite der Alternativbewegung hervorbrechen, sie würden diese Veränderung feiern wie einen Sieg über diese Wirtschaftsmacht. Und die Migrosmächtigen lachen sich ins Fäustchen, die andern haben ihre Freude und wir weiterhin Absatz, Kundschaft und riesige Gewinne. Es kommt der Wirtschaft eigentlich nicht darauf an, womit sie ihr Geld verdienen, Hauptsache, sie verdienen.

Aber auch die Armee spürt es nicht in ihren Verbänden, wenn jährlich siebenhundert Männer und zwei Frauen ihren Dienst verweigern. Sie veranstalten zwar für diese Fälle jeweils ein Riesentheater mit richtigen Schauprozessen. Doch daneben mustert die Armee jährlich noch ein paar tausend ihr unliebsame Leute auf medizinischem und psychiatrischem Weg aus. Diese erscheinen nirgends in einer Statistik und werden mit aller Sorgfalt verschwiegen. Auch wird sich keiner der Armeeführer auch nur eine schlaflose Nacht machen wegen der Initiative, die gegen die Initiative lanciert werden soll. Es ist ja schon zum voraus klar, dass es auch den Initianten nur um die Anregung einer Diskussion geht und zu einer Diskussion ist man grosszügigerweise immer bereit.

Aber wenn die fünfzigtausend Männer, die voraussichtlich mit fünfzigtausend Frauen die Initiative unterzeichnen werden, keinen Militärdienst mehr leisteten, auch nicht beim Zivilschutz, so würden die Offiziere und Generäle echt ins Schwitzen kommen, das ergäbe Bestandeslücken, die bedeutend mehr erreichen könnten als der teure Abstimmungskampf .

Noch kurz ein anderes Beispiel. Wenn nach der letzten energiepolitischen Abstimmung alle Ja-Stimmenden für eine Woche auf den Stromverbrauch verzichtet hätten, so wäre die dienstbare Elektromafia doch kurz ins Schleudern geraten und hätte die eine oder andere Zentrale abschalten müssen. Und man/frau hätte sehen können, dass ihre Macht nur auf der Bequemlichkeit der Strombezüger beruht und keineswegs gottgegeben ist, und deshalb auch veränderbar ist.

HosenscheisserInnen, BünzlibürgerInnen, KompromisslerInnen

Darum glaube ich an die Kraft der Radikalität ich glaube, dass ich glaube, dass Veränderungen möglich sind; ich glaube aber auch daran, dass die Opposition nicht ohnmächtig ist, sondern dass sie sich vielmehr ohnmächtig macht, weil jedeR nur für sich schaut. Wenn die Alternativbewegung tatsächlich Veränderungen verwirklichen möchte, so hätte sie die Kraft dazu.

Doch werde ich manchmal den Verdacht nicht los, dass wir zwar immer von Veränderungen reden, doch in unserem Innersten sind wir zufrieden mit dem jetzigen Zustand. Es geht uns gut, ja sogar bestens. Deshalb sagte ich schon zu Beginn: HosenscheisserInnen, BünzlibürgerInnen, KompromisslerInnen. Auf Kosten des Allgemeinwohls und auf Kosten der Zukunft lassen wir es uns gut gehen!

Aus diesen Gründen sollten wir heute eigentlich so weit sein, dass wir über unsere eigene Beschränktheit hinaus gehen und einen mutigen Schritt in die Zukunft wagen. Indem wir uns dazu bereit erklären, dass wir und vom Ich-bezogenen Wohlfahrtsdenken befreien, indem wir bereit sind, jede militärische und paramilitärische Dienstleistung zu verweigern. Indem wir auch bereit sind, unsere Arbeitskraft und unsere Finanzkraft zu verweigern, indem wir uns nicht mehr aus purem Egoismus und aus reiner Bequemlichkeit auf hunderte von Kompromissen einlassen, die es anderen ermöglichen uns von ihnen abhängig zu machen.

Wir sollten aber gleichzeitig bereit sein, unsere Kraft für den Aufbau eines Friedenskollektivs einzusetzen. Dieses Kollektiv könnte dann von sich aus Aufgaben übernehmen, die weit über das Bisherige und das in den heutigen Strukturen Mögliche hinausgehen. Diese Aufgaben drängen uns nicht nur im sozialen Bereich, zum Beispiel in der offenen Altershilfe, bei der Integration von Behinderten und anderen zu Sozialfällen abgestempelte Randgruppen, sondern auch in anderen Lebensbereichen. Ich denke dabei an die Landwirtschaft, insbesondere in den von der Abwanderung und Vergandung betroffenen Berggebiete, aber auch an den Umweltschutz, zum Beispiel beim Weiterentwickeln einer angepassten und sanften Technologie. Ein besonderes Anliegen wird die aktive Friedensarbeit sein.

Die Arbeit des Friedenskollektivs darf aber nicht kommerzialisiert werden, sie darf sich auch nicht verkaufen. Aus ihrem Selbstverständnis heraus kann sie nicht entschädigt werden, denn sie entspricht nicht einem kurzfristig messbaren Wert. Daraus ergibt sich auch der kollektive Charakter der ganzen Idee, für eineN EinzelneN ist diese Lebenshaltung nicht realisierbar. Ein Friedenskollektiv wird sich selbst tragen, wird vielleicht sogar eigene Lebensräume fordern. Wenn schon ein Nationalpark zur Erhaltung der Pflanzen- und Tierwelt möglich ist, so sollte es auch möglich sein, Gebiete auszuscheiden in denen auch der Mensch zusammen mit Tier, Pflanze und anorganischer Umwelt leben und überleben kann.

sig Othmar-Ferd. Arnold

Longevity-Stress

Longevity-Stress

Was habe ich mit der Alten Sennerei – pflegegerechter Wohnraum für den letzten Lebensabschnitt im Safiental – gemeinsam?

Wir dürfen beide sichtbar altern.

Ich habe etwa 60 Jahre Vorsprung auf den Neubau für das Tenna Hospiz! Doch der massive Doppelstrickbau aus 130-jährigen Fichten wird mich locker ein- und überholen – nachdunkeln, Risse kriegen, eine markantere Textur entwickeln. Τα χρόνια περνούν και γερνάμε.

Dazu muss ich nicht mich in jungen Jahren anfangen einzubalsamieren, täglich zu überwachen, und dann eine Plethora von Wundermitteln und -techniken, samt Accessoires, zu konsumieren um damit meinen Alterungsprozess zu steuern, zu verlangsamen, zu verhindern. ὕβρις.

Und wenn wir dann unsere Lebensdauer erlebt haben, werden wir beide – jede auf seine Art, jeder zu seiner Zeit – in den Kreislauf der Natur zurückkehren. καιρός.

Tröstlich ist auch zu wissen, dass das Leben der 600 Fichten und Lärchen, die gefällt wurden für den Neubau der Alten Sennerei, mit ihrem biologischen Tod nicht nutz- oder sinnlos wurde. Auch jetzt strahlen sie wieder Wärme und Wohlbefinden aus. Für Generationen, für ein #lebenaufhohemniveau

To say Goodbye

To say Goodbye

A hospice is a special place where “incurably ill, dying people” are accompanied. “In a soothing environment, we want to help our clients to the best quality of life.” (Hospice Graubünden)

communal residence for the last phase of life, such as the small lighthouse project in the Alte Sennerei in Tenna / GR, also offers a soothing environment for the best possible quality of life. It is primarily a place for people (without a defining medical diagnosis), “who can no longer live independently at home, but do not want to leave their homeland… in order to be able to stay in their usual cultural, social and scenic environment until the end of life” (Bürge, 2025).

“The WG Alte Sennerei pursues a holistic and life-affirming approach to death. Instead of tabooing it, it is considered an integral part of life. The philosophy is based on the principle “Ars vivendi – Ars moriendi” – the art of living and dying” (Rüegger, 2006). “In a society that often represses death, the WG Alte Sennerei creates a space in which dying is assumed to be a natural process. This also means that the dying process and death do not have to happen behind closed doors.” (Bürge)

In the Alte Sennereiindividual dying is lived in community .

Thus, the grieving process for the dying person, as well as for the cohabitants, often begins long before the (from a medical point of view) “deterioration of the general condition”. A dying person needs more and more support in everyday life: more closeness and companionship, possibly aids, more rest and new forms of participation. Maybe even palliative care and medical relief of clinical symptoms.

The cohabitants take an active part – to the extent that they are ready and capable. For them, it is also the last phase of life. They live with the awareness that “I am next”. This also results in special forms of affection.

A individual reflection on existential questions is inevitable. It is nice when these are alluded to or at least lived out within the community.

Literature:

Bürge, Philipp. (im Druck). Wohngemeinschaft Alte Sennerei. Selbstbestimmung und Teilhabe im letzten Lebensabschnitt innerhalb der sorgenden Gemeinschaft. Verein Tenna Hospiz, Tenna.

Rüegger, Heinz. 2006. Das eigene Sterben. Auf der Suche nach einer neuen Lebenskunst. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. ISBN 978-3-525-63371-7

Arnold, Othmar F. 2024. Palliative Care als Gottes Dienst. In: Mit dem Tod leben.Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker), Bad Pyrmont. ISBN 978-3-929696-68-4

for an English translation: Palliative Care as form of worship?

If a chair remains empty in community…

For a life at a high level! Even in difficult times.

Abschied nehmen

Abschied nehmen

Ein Hospiz ist ein spezieller Ort, in dem “unheilbar kranke, sterbende Menschen” begleitet werden. “In einer wohltuenden Umgebung möchten wir unseren Bewohnenden zur bestmöglichen Lebensqualität verhelfen.” (Hospiz Graubünden)

Eine Wohngemeinschaft für den letzten Lebensabschnitt, wie das kleine Leuchtturm-Projekt in der Alten Sennerei in Tenna/GR, bietet auch eine wohltuende Umgebung für bestmögliche Lebensqualität. Sie ist in erster Linie ein Ort für Menschen (ohne definierende medizinische Diagnose), “die nicht mehr selbständig zu Hause leben können, aber ihre Heimat nicht verlassen möchten… um bis zum Lebensende in ihrem gewohnten kulturellen, sozialen und landschaftlichen Umfeld bleiben zu können” (Bürge, 2025).

“Die WG Alte Sennerei verfolgt einen ganzheitlichen und lebensbejahenden Umgang mit dem Tod. Statt ihn zu tabuisieren, wird er als integraler Bestandteil des Lebens betrachtet. Die Philosophie basiert auf dem Prinzip «Ars vivendi – Ars moriendi» – die Kunst des Lebens und des Sterbens” (Rüegger, 2006). “In einer Gesellschaft, die den Tod oft verdrängt, schafft die WG Alte Sennerei einen Raum, in dem Sterben als natürlicher Prozess angenommen wird. Das beinhaltet auch, dass der Sterbeprozess und der Tod nicht per se hinter verschlossenen Türen passieren muss.” (Bürge)

Das individuelle Sterben wird in der Alten Sennerei in Gemeinschaft gelebt.

Somit setzt der Trauerprozess für die sterbende Person, wie auch für die Mitbewohnenden, oft schon lange vor der (aus medizinischer Sicht) “Verschlechterung des Allgemeinzustands” ein. Eine sterbende Person braucht zunehmend mehr Unterstützung im Alltag: mehr Nähe und Begleitung, eventuell Hilfsmittel, mehr Ruhe und neue Formen der Beteiligung. Vielleicht sogar palliative Pflege und medizinische Linderung klinischer Symptome.

Die Mitbewohnenden nehmen aktiv Anteil – in dem Mass, in dem sie bereit und fähig sind. Denn für sie ist es auch der letzte Lebensabschnitt. Sie leben mit dem Bewusstsein, dass ich “die Nächste bin”. Daraus ergibt sich auch eine besondere Form der Zuneigung.

Eine jeweils eigene Auseinandersetzung mit den existenziellen Fragen ist unausweichlich. Schön ist es, wenn diese dann in der Gemeinschaft auch angetönt oder wenigstens ausgelebt werden.

Literatur:

Bürge, Philipp. (im Druck). Wohngemeinschaft Alte Sennerei. Selbstbestimmung und Teilhabe im letzten Lebensabschnitt innerhalb der sorgenden Gemeinschaft. Verein Tenna Hospiz, Tenna.

Rüegger, Heinz. 2006. Das eigene Sterben. Auf der Suche nach einer neuen Lebenskunst. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. ISBN 978-3-525-63371-7

Arnold, Othmar F. 2024. Palliative Care als Gottes Dienst. In: Mit dem Tod leben. Religiöse Gesellschaft der Freunde (Quäker), Bad Pyrmont. ISBN 978-3-929696-68-4

Wenn ein Stuhl leer bleibt in Gemeinschaft…

Für ein Leben auf hohem Niveau! Auch in schweren Zeiten.

Confidence – the little sister of hope

Confidence – the little sister of hope

For more than three years, the Tenna Hospice Association has been trying, with hope and various strategies, to find enough active people to fill the four full-time positions required to adequately run the residential care community for the last stage of life in the ‘Alte Sennerei’ in Tenna.


“Domestic help”, “caring flatmate”, “caring co-entrepreneur”


The more the required responsibility, as a counterweight to freedom, was mentioned in the adverts, the fewer the enquiries and applications became. The salary level did not change this dynamic. The romantic village of 100 people in a remote mountain valley was proving to be a disadvantage in terms of location.


Some members of the board of the Tenna Hospice association wanted to close the communal residence even before it opened. They took the view that all full-time positions had to be filled in order to become operational. The commitment already made to future residents could be cancelled. As CEO, I understand the corporate logic behind this attitude. However, it is untenable for the vision of a co-living community!


As a person directly affected, I have always relied on confidence: the proverbial ‘needle in the haystack’ will show itself – and will be found. This requires patience and humility.


DA SII UND ZIIT HA FÜRÄNAND – GASTLICH SII’ (“to be present and to have time for each other – to be hospitable”) reads the slogan on the façade of the “Alte Sennerei” in Tenna/GR.

Bread, cheese, fruit salad – and time together.


A testimony of confidence and faith, as I always wished for. ‘What remains when the grand designs crumble?’ (Thorsten Dietz, Publik-Forum 13/2024)


There are alternatives – we are living them!

With the confidence that we make a difference – that we let our light shine when the world seems dark – not with the hope that an authority or a committee will fix everything for the better. Believing that it is possible, even today, to live a piece of heaven on earth.


‘The many stories of defiant confidence against the small faith of the time remain.’

Read the German version here: https://tennahospiz.ch/zuversicht-die-kleine-schwester-der-hoffnung/

Mit dem Tod leben

Eine Buchempfehlung, passend zu jeder Lebenssituation und jeder Jahreszeit.


Das Buch enthält persönliche Stimmen von Quäker*innen, ältere und neu verfasste Beiträge. Sie sprechen vom Leben vor und nach dem Tod, vom Prozess des Sterbens und von der Trauer, von Pflege, Sterbebegleitung und Beerdigung.

Kurz: von der Wahrhaftigkeit im Umgang mit dem Unausweichlichen.

Mein Beitrag im Buch stellt die Frage, ob Palliative Care eine Form von Gottes Dienst sein könnte.

Ein ungewöhnlicher Blickwinkel. In einer säkularisierten und wissenschafts-orientierten Gesellschaft scheint es eher ungewohnt, im Zusammenhang mit einer gut definierten Fachdisziplin, das Wort Gott in den Mund zu nehmen. Aus meiner Erfahrung mit Menschen, die ich im Leben und im Sterben begleiten durfte, habe ich es trotzdem gewagt, einen solch provokativen Blickwinkel als Ausgangspunkt für einige Gedanken zu nutzen.

MIT DEM TOD LEBEN
ISBN 978-3-929696-68-4 hier bestellen

ebenso erhältlich:
MIT DEM TODE VERTRAUT WERDEN
Diana Lampen, 1981 (Neuauflage 2016)
ISBN 978-3-929696-55-4 hier bestellen

Der Tod ist unausweichlich – begegnen wir ihm!

Mein Beitrag kann auch hier gelesen werden: Palliative Care als Gottes Dienst?

My contribution to the book is also available in English: Palliative Care as form of Worship?

Sehnsucht

Sehnsucht

Ich wünsche mir einen Mann wie eine Zigarettenschachtel.

Es muss ja auch kein Mann sein, kann eine Frau sein, oder etwas Drittes. Ob Parisienne, Camel oder Lucky Strike – du bist gar nicht so wichtig.

Du bist immer irgendwo dabei, eingesteckt, unauffällig. Und wenn ich dich brauche, dann bist du zur Hand. Dann steck ich dich an, mach dir Feuer. Ich lege meine sinnlichen Lippen zärtlich um dich. Ich werde genüsslich ziehen und inhalieren, ein bisschen streicheln und halten. Und wenn gut – mit der gekonnten Bewegung des Zeigefingers spickst du elegant weg und fliegst in den Strassengraben.

Wunderbar. Entspannt. 

Oder ich drück dich aus im Aschenbecher – ist gesellschaftlich akzeptabler. Und macht die Beziehung klar.

Der Kick ist vorhersehbar und kann auch wiederholt werden. Ich bin frei. Ich bin selbstbestimmt. Ich fühle mich verstanden und bestätigt ohne etwas von mir preiszugeben. Ich werde gehört und ernst genommen – mit Sicherheit. 

Und ich sehne mich nach der Sucht.

So stille ich die Sucht – doch aus der Stille berührt mich immer wieder das Sehnen.

Wie stille ich das Sehnen?

.

.

Aus: ‘Lasst mein Leben nicht verloren gehen’ – Roman über einen schillernden Hilferuf aus einer zu verschweigenden Heimat(losigkeit) – gefangen zwischen Kulturen, den Folgen sozialen Aufstiegs und wirtschaftlichen Erfolgs, der Geborgenheit der Clan-Enge und uferlosen Scheinfreiheiten. Erscheint in naher Zukunft.

Herzenswanderung

„Verzage nicht: Der Stern ist da und leuchtet. […] Die sehnsüchtige Unruhe treibt. […] Brich auf, mein Herz, und wandre!“

„Siehe, die Weisen haben sich aufgemacht. […] Sie werden ihr kühnes Herz selbst ein wenig gefürchtet haben […]. Aber das Herz ist stark und selig mutig. Sie gehorchen ihm und gehen. Und plötzlich, als sie die Heimat hinter sich gelassen haben, wird ihr Herz leicht, wie das Herz eines, der alles gewagt hat und mutiger ist, als man eigentlich […] sein kann. Sie gehen verschlungene Pfade, aber vor Gottes Augen ist es der gerade Weg zu ihm […].“

„Brich auf, mein Herz, und wandre! Es leuchtet der Stern. Viel kannst Du nicht mitnehmen auf dem Weg. Und viel geht dir unterwegs verloren.“

(Aus: Karl Rahner, Kleines Kirchenjahr. Ein Gang durch den Festkreis, Freiburg/Br. 1981, 39-42)

Diese Reflexion zum Jahresende beschreibt die Dynamik, aus der heraus das Projekt Tenna Hospiz entstanden ist: Am Anfang war ein Traum, ein Stern der leuchtete. Doch selbst das kühne Herz fürchtete sich.

Es brauchte dann eine Auszeit um den Auftrag wahrzunehmen, einen solchen Traum nicht nur zu träumen, sondern auch umzusetzen. Ich gehorchte ihm, und ging.

Heute kann ich sagen, dass mein Herz leicht wurde und dass ich immer noch verschlungene Pfade gehen muss. Doch der Weg führt zum Ziel, der Traum wurde Wirklichkeit.

Viel kann (und will) ich nicht mitnehmen. Und vieles ist unterwegs auch verloren gegangen. Doch, ich sehe auch Hinweise für den geraden Weg.

Brich auf mein Herz und wandere fortan.

Gendergerechte Schreibweise

HosenscheisserInnen, BünzlibürgerInnen, KompromisslerInnen

…ein Untertitel aus einem auf einer mechanischen Schreibmaschine vor mir verfassten und getippten “Aufruf zur Gründung eines Friedenskollektivs” aus dem Jahr 1978 oder 1979.

Heute ist gendergerechte Schreibweise in aller Menschen Munde. Darum hat es mich interessiert, wie alt dieser Trend eigentlich schon ist. Wikipedia schreibt dazu folgendes:

“Ab den 1940ern verbreitete sich die Schreibweise mit Schrägstrich plus BindestrichLehrer/-innen. Im Rahmen der zweiten Frauenbewegung ab den 1960ern wurde der Schrägstrich verstärkt eingesetzt, um Frauen sichtbar zu machen, während allgemein noch der Gebrauch von rein männlichen Personenbezeichnungen zur geschlechtlichen Verallgemeinerung üblich war (generisches Maskulinumalle Lehrer).

Ab den späten 1970er-Jahren entwickelte die Feministische Linguistik das Konzept der „geschlechtergerechten Sprache“ und passende Formulierungsmöglichkeiten, um Frauen auch sprachlich gleich zu behandeln. […]

1981 war der Vorschlag aufgekommen, den Schrägstrich mit dem nachfolgenden kleinen „i“ zum Großbuchstaben „I“ zusammenzuziehen, als „Binnen-I“ bezeichnet: LehrerInnen. “

Das abgebildete Dokument zeigt Versuche einer inklusiveren Schreibweise als Teil des Friedensprozesses. Und wenn ich den ganzen Artikel lese, einhält dieser auch eine Skizze meines Lebensweges.

Eine wahrliche Trouvaille, die vierzig Jahre in einer Kiste auf meines Bruders Estrich lagerte!

Trouser-shitters, cocksuckers, compromisers

…a subtitle from a “Call for the Foundation of a Peace Collective” written and typed by me on a mechanical typewriter in 1978 or 1979.

Today, gender-sensitive writing is on everyone’s lips. That’s why I was interested to know how old this trend actually is. Wikipedia in German writes the following about it:

“Starting in the 1940s, the spelling with slash plus hyphen spread: Lehrer/-innen. In the context of the second women’s movement, starting in the 1960s, the slash was increasingly used to make women visible, while the use of purely masculine personal designations for gender generalization was still common (generic masculine: all teachers).

Beginning in the late 1970s, feminist linguistics developed the concept of “gender-equal language” and appropriate ways of phrasing it in order to treat women equally in terms of language as well. […]

By 1981, a proposal had emerged to combine the slash with the following lowercase “i” to form the uppercase “I,” referred to as the “internal I.” Teachers=LehrerInnen. “

The document pictured shows attempts at more inclusive spelling as part of the peace process. And when I read the whole article, it also includes a sketch of my life’s journey.

A true trouvaille, stored in a box in my brother’s attic for forty years!

Verschwende Deine Zeit nicht!

Verschwende Deine Zeit nicht!


Ich bin mit der Devise “Verschwende deine Zeit nicht” aufgewachsen. Meine Eltern legten grossen Wert darauf, dass ihre Kinder das Beste aus ihrer Zeit machen (und auf keinen Fall ihre Zeit verschwenden). Erst jetzt erkenne ich, dass diese Einstellung nicht etwas rein Nützliches war – ein Weg, um aus der Misere herauszukommen und nach oben zu kommen. Sie hat tatsächlich biblische Wurzeln:

Macht das Beste aus der Zeit, denn die Tage sind böse. Eph 5:16 (ESV)

for an English version of this article: don’t waste your time


Für die Generation meiner Eltern und Grosseltern schien es zu funktionieren, das Beste aus ihrer Zeit zu machen. Sie alle haben ihre Wurzeln in einem agrarischen Lebensstil, der Optionen im Leben grösstenteils ausschloss und mit einer gehörigen Portion Schwerstarbeit, Knechtschaft, Elend und Armut verbunden war. Aber sie überwanden diese Last und schufen sich eine weitaus komfortablere weltliche Existenz.

Meine Grossmutter väterlicherseits verliess das Rittergut in Sachsen, auf dem sie aufwuchs, mit 18 Jahren. Ihre Familie “gehörte” seit Generationen dorthin und arbeitete in der Landwirtschaft für die Familie von Schönberg, der das Gut seit dem 13. Jahrhundert besass. Die Besitzer wohnten im Schloss, während die Familie meiner Grossmutter und alle anderen Landarbeiter in und über den Scheunen und Ställen wohnten und sich den Platz und den Status mit den Zugpferden, Rindern und anderem Vieh eng teilten. Und obwohl sie die manuelle Arbeit für einen der wichtigsten Nahrungsmittelproduzenten der Region leisteten, kannten sie den Hunger nur zu gut. Das Vieh und die Feldfrüchte, die sie züchteten, waren nicht für die Ernährung der Arbeiter bestimmt, sondern sollten auf profitablen Märkten zu einem guten Preis verkauft werden. Die Arbeiter und ihre Familien durften die Felder nach der Ernte für den Eigenbedarf bewirtschaften. Die einzige Quelle für tierisches Eiweiss waren die Fischköpfe, die sie vom Fischhändler bekommen konnten, weil er keine andere Verwendung dafür hatte. Noch Jahrzehnte später konnte Oma einen herrlichen Fischkopfeintopf zubereiten – aber sie teilte ihn oft nicht mit ihrer Familie. Sie schämte sich wegen der Stigmatisierung: Menschen, die Fischköpfe essen, sind arm und möglicherweise faul. Hätten sie doch nur ihre Zeit besser genutzt…


Mein Grossvater mütterlicherseits hatte seine eigene Geschichte der Ausgrenzung. Er wuchs in einer Familie von Wanderarbeitern im Napfgebiet in der Schweiz auf. Die Heuböden der relativ wohlhabenden Bauern waren oft sein Zuhause. Schon in jungen Jahren wurden seine Zeit und sein handwerkliches Geschick von der Familie für das schlichte Überleben benötigt. Er war sehr geschickt und kenntnisreich in vielen bäuerlichen Arbeiten. Sieben Winter lang konnte er die Schule in Teilzeit besuchen, je nach Arbeitsanfall und Wetterbedingungen zwischen den abgelegenen Bauernhöfen und der kleinen Einraumschule. Er schloss die Schule schliesslich mit der vierten Klasse ab.

Aber alle meine Grosseltern konnten sich aus der bitteren Armut befreien und aus dem vorindustriellen Leben auf den Bauernhöfen in ein industrielles Leben aufsteigen. Beide Grossväter wurden Lastwagenfahrer mit der ersten Generation von motorisierten Fahrzeugen. Beide Grossmütter arbeiteten in der Gastronomie, bis sie heirateten und zu Hausmüttern wurden. Sie nutzten ihre Zeit sinnvoll, bildeten sich weiter und arbeiteten hart und sicherten sich so einen festen Arbeitsplatz, ein Einkommen und eine Rente. Sie zogen in die Stadt und konnten sich eine menschenwürdige Mietwohnung in einer Arbeiterwohnbaugenossenschaft leisten.

Sie haben den Glauben vorgelebt und weitergegeben, dass man es schaffen und aufsteigen kann, wenn man keine Zeit und Mühe verschwendet. Meine Eltern hatten die Möglichkeit, die Oberstufe abzuschliessen und einen Beruf zu erlernen, weil ihre Familien finanzielle Opfer brachten und hart arbeiteten. Mein Vater musste seine Ausbildung am Technikum fortsetzen und Abendkurse besuchen, während er Vollzeit arbeitete. Er wurde schliesslich Ingenieur und war die erste Person in der Familie, die einen Diplomabschluss hatte. Das ermöglichte meinen Eltern den Aufstieg in die Mittelschicht der Gesellschaft. Es ließ sie auch glauben, dass es für ihre Kinder kein Hindernis geben würde, es bis ganz nach oben zu schaffen: Reichtum, Ansehen und möglicherweise Ruhm waren in Sicht.

Was meine Eltern nicht wussten, war, dass die nächste Stufe der Aufwärtsmobilität in einer globalisierten Gesellschaft weitaus komplexer war als nur die bestmögliche Nutzung von Zeit und Mühe. Zeit wurde zu einer Ware, und nur wer seine Zeit kaufen konnte, hatte echte Chancen: Es reichte nicht mehr aus, hart zu arbeiten – jetzt war es erforderlich, sich zu vernetzen und Multitasking zu betreiben, sich an vielen Aktivitäten und Ursachen zu beteiligen, um voranzukommen (oder aufzusteigen). Ein einziges Einkommen reichte nicht mehr aus, um eine Familie zu versorgen, wohlhabend zu werden, Eigentum anzuhäufen und für die Zukunft vorzusorgen.

An diesem Punkt begann ich zu rebellieren und die zugrunde liegenden Annahmen über die Nutzung der Zeit in meinem Leben ernsthaft zu hinterfragen. Warum war es zwingend notwendig, die Zeit in Arbeitszeit (zunehmend), Familienzeit (abnehmend), Freizeit und Spass (wenn möglich) aufzuteilen? Warum war es nicht möglich, zu derselben Zeit und an demselben Ort zu lernen und zu arbeiten, an dem ich lebe und am Leben teilhabe, an dem ich mich amüsieren und gesund bleiben kann?

Alles ist eins – ich sehe das Leben immer noch als eine Einheit von Lieben, Arbeiten und Nachdenken.

Aber das heutige Leben ist immer mehr aufgeteilt, was nur möglich ist, wenn wir die Mittel haben und uns leisten können, schnell und effizient von einer Abteilung in die nächste zu wechseln – entweder durch Hetzen und Fahren von einer Sache zur nächsten oder heutzutage durch Multitasking mit einer ganzen Reihe von Gadgets: Es ist möglich, E-Mails zu checken und gleichzeitig zu telefonieren, während man zum nächsten gewünschten Termin fährt. Und wir kommen an einen Punkt, an dem es akzeptabel wird, Dinge unvollständig oder ungeschliffen zu lassen, weil wir alle wissen, dass die Zeit nicht ausreichen wird, um alles zu erledigen.

Wenn du keine Zeit hast, es richtig zu machen, wann wirst du dann Zeit haben, es noch einmal zu machen? (John Wooden)


Ich kann die Erschöpfung bereits spüren, während ich dies schreibe. Die Zeit optimal zu nutzen, hat eine Bedeutung und Intensität erreicht, die für die Generation unserer Eltern unvorstellbar war. Sprechen wir immer noch von demselben Zeitkonzept, das ich vorhin anhand eines biblischen Beispiels erwähnt habe?

Interessanterweise gibt es im Griechischen zwei verschiedene Begriffe, die routinemäßig mit Zeit übersetzt werden, nämlich Χρόνος (chronos) und καιρός (kairos). Ich wurde an diese Unterscheidung erinnert, als ich einen Artikel über die Askese der Zeit von James D. Whitehead las (Review for Religious, 39(1980), S. 3-17).

Chronos bezeichnet die Dauer, das Vergehen der Zeit, den chronologischen Verlauf und die Kontinuität von der Vergangenheit zur Gegenwart und in die Zukunft. Dies ist die Zeit, die wir gut kennen, die Zeit, die knapp wird, die abläuft und die verschwendet oder klug und effizient genutzt werden kann. Auf der anderen Seite gibt es den Kairos, die Zeit der Gelegenheit und des Anlasses – etwas, das wir in der Umgangssprache als den richtigen Zeitpunkt bezeichnen würden. Der richtige Zeitpunkt ist nicht messbar oder mit der Uhr bestimmbar. Er beruht auf einer Bedeutung, die tief in der persönlichen oder kollektiven Erfahrung und Spiritualität verankert ist.


Whitehead unterscheidet eine Triade von Lebens- und Erfahrungsweisen der Zeit: Er postuliert ein Kontinuum von Dissipation über Konzentration bis hin zu Zwang. Zerstreuung ist der Modus, den wir als Langeweile, als Plackerei der Zeit erleben. Sie charakterisiert Sinnlosigkeit und Richtungslosigkeit. “Das Leben geht weiter, oder es entgleitet, oder es wendet sich ab, aber es genießt keine besondere Energie oder Konzentration” (S.8). Die No-Future-Bewegung und -Generation verkörpert diesen Modus der Zeit auf dramatische Weise: Die Menschen wissen nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen und finden manchmal ein Ventil für ihre Energie in gewalttätigen Verhaltensweisen.

Das andere Extrem ist der Zwang, die zwanghafte Fokussierung: Dinge müssen erledigt werden, die Menschen fühlen sich getrieben, und bestimmte Unternehmungen absorbieren unsere ganze Aufmerksamkeit und vernachlässigen andere Aspekte unseres Lebens. Das ist die Vision, die meine Eltern für ihre Kinder hatten: es bis an die Spitze zu schaffen und anderen zu beweisen, dass ich etwas zustande bringen kann. Sie ist eingebettet in die postmoderne Verherrlichung der (ewigen) Jugend und die Angst vor dem Altern und Sterben. Sie ist auch in der Wirtschaftstheorie des ständigen Wachstums verankert. Die Menschen werden in ein Rattenrennen hineingezogen, bis sie zusammenbrechen.

Zwischen den beiden Extremen liegt der Modus der Konzentration als eine dritte Art von Zeit und Lebenserfahrung. Dies sind die Momente oder Perioden im Leben, in denen wir uns gegenwärtig fühlen und uns auf harmonische Beziehungen konzentrieren, einen Sinn in unserer Existenz und unseren täglichen Aktivitäten jenseits von Vergleich, Wettbewerb und Gewinn finden und Zeit haben, über das “Hiersein” nachzudenken und es zu schätzen.

Whitehead sieht Chronos in beiden Extremen des Spektrums am Werk, qualifiziert aber die konzentrierte Lebensweise als kairotisch – als heilige Zeit. Wann immer wir einen Moment im kairos erleben, erfahren wir ihn als Geschenk. Leider haben unsere Gesellschaft und Wirtschaft auch eine ganze Industrie hervorgebracht, die diese menschliche Sehnsucht nach Kairos-Erfahrungen ausnutzt, indem sie eine endlose Reihe von Ersatzprodukten verkauft, die unsere Bücherregale oder Terminkalender noch weiter füllen können.

Zeit ist das, was wir am meisten wollen, aber was wir am schlechtesten gebrauchen (William Penn, Vorwort zu Some Fruits of Solitude In Reflections And Maxims, 1693)


Diese Perversion der Zeit und ihrer Erfahrung als Mensch scheint sich in dem Zitat von William Penn widerzuspiegeln das auf die ständige Sehnsucht nach heiliger Zeit hinweist, während wir in Echtzeit agieren, sei es, indem wir Zeit verschwenden oder indem wir auf den unaufhörlichen Druck und die Erwartungen reagieren, die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik dem Leben auferlegen.

Kairos ist der Ausdruck von Zeit, in der wir als Menschen mit einer höheren Macht, mit Gott, verbunden sind. Wie ich in einem früheren Beitrag schrieb, muss und will ich die Fähigkeit erlernen, innezuhalten und zuzuhören. Diese Fähigkeit ist das, was Whitehead als Askese der Zeit beschreibt. Sie beginnt damit, dass wir uns Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, wie wir unser tägliches Leben strukturieren, wie wir unsere Ziele und Bestrebungen im Leben festlegen. Wir müssen erkennen, dass leere Räume keine Zeitverschwendung sind, sondern eine Gelegenheit zum Gebet und zur Reflexion. Aber eine Askese der Zeit ist viel mehr als ein gutes Zeitmanagement, denn dabei geht es um die messbaren Qualitäten des Chronos. Es geht um die Erkenntnis, dass wir von der Führung abhängig sind, dass wir unbedeutende, aber wesentliche Teilchen in einem Universum sind. Es geht um die Erkenntnis, dass wir, wenn wir uns die Zeit nehmen, innezuhalten und zuzuhören, den richtigen Zeitpunkt kennen lernen, eine Gelegenheit, die manche als den Willen Gottes bezeichnen. Anstatt Dinge schnell zu tun, können wir jetzt lernen, sie richtig zu tun!

Auf diese Weise nutzen wir unsere Zeit am besten, und die Tage sind nicht mehr böse.

Ich denke immer noch über die Lebenserfahrung meiner Eltern und Grosseltern nach. Wie viel wussten sie über die Unterscheidung von Chronos und Kairos, darüber, weniger in den Extremen als auf dem Kontinuum zwischen Ausschweifung und Zwang zu leben? Unabhängig davon, ob sie sich dieser theoretischen Dinge bewusst waren oder nicht, haben sie mir einen Sinn für das Richtige vermittelt, den ich mit den Menschen um mich herum teilen und an die nächste Generation weitergeben möchte.

Ostern 2020

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In Zeiten von Corona können wir uns anschliessen an den Wunsch aus der Pestzeit im 16. und 17. Jahrhundert (Kirche St. Johannes, Safien Platz):

“Gott verleiche Inen ein fröhliche ufferstehung und unß allen ein seellig Enndt.”

Schwierige Entscheidungen – selber entscheiden

In Zeiten der Pandemie ist es genau so wichtig wie an jedem normalen Tag, dass jeder Mensch sich im Klaren ist, was er oder sie möchte, falls sie oder er nicht mehr fähig sein wird, selber zu entscheiden. Aus meiner Erfahrung – und ich hatte das während mehrerer Jahre selber praktiziert – schieben viele das Erstellen einer Patientenverfügung und eines Vorsorgeauftrags stetig vor sich her.

Das Wichtigste am Erstellen einer Patientenverfügung und eines Vorsorgeauftrages ist, dass wir uns in guten Zeiten überlegen, was einem persönlich wichtig ist im Leben. Genau so wichtig ist, dass man diese Gedanken und Überlegungen teilt mit den Menschen, denen man vertraut. 

Am Tag, wo wir betroffen werden von ersthafter Krankheit, Gebrechlichkeit oder einem Unfall, kann es zu spät sein, seinen eigenen Willen zu äussern. Deshalb sieht unser Gesetz vor, dass wir vorsorglich festhalten können, was uns wichtig ist und wie gewisse Fragen entschieden werden sollen, falls wir selber nicht mehr fähig sind dazu.

Die Medien sind derzeit voll von Berichten über Menschen, die in kürzester Zeit von leichten Grippesymptomen befallen eine schwere Lungenentzündung und Komplikationen entwickeln. Sie landen auf einer Intensivstation, werden sediert und mit intensivster medizinischer und technischer Unterstützung, Gesicht nach unten und isoliert von allen vertrauten menschlichen Kontakten behandelt. Diese Menschen haben keine Mitsprache mehr. Sie werden gelebt bis sie gesunden oder sterben.

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lebensrettende Intensivbehandlung im Spital (Bild via NZZ)

In einer Patientenverfügung können Menschen zum voraus bestimmen, ob sie im Falle eines solchen Krankheitsverlaufs bestimmte medizinische und technische Mittel in Anspruch nehmen wollen, falls sie nicht mehr bewusst entscheidungsfähig sein werden. Sie können auch bestimmen, dass sie in einer derart kritischen Situation beste Palliativmedizin in Anspruch nehmen wollen. Aus beiden Gruppen werden die einen weiter leben, andere sterben.

In einer Patientenverfügung können Menschen auch bestimmen, was ihnen wichtig ist. Mir ist es wichtig, dass ich jemanden in einer kritischen Situation zu meiner Seite habe. Das heisst während der Pandemie, dass ich keine Spitalbehandlung in Anspruch nehmen will, weil dort Besucher ausgeschlossen sind. Das heisst, dass ich durch den Hausarzt und die ambulanten Dienste medizinisch betreut werden will und so meinem Willen entsprechend umsorgt werden kann bis ich genese oder sterbe. 

Die Entscheidung über Leben oder Tod liegt sowieso nicht in der Kompetenz von Fachleuten und Institutionen. Das entscheidet das Leben, das aus meiner Sicht in einem göttlichen Grossen Ganzen eingebettet ist.

Mit dem Vorsorgeauftrag kann ich in guten Zeiten bestimmen, welche Person oder welche Personen für mich weiter Entscheidungen treffen, falls ich dazu nicht mehr in der Lage sein werde. Wenn ich sediert an einer Maschine hänge, müssen weiterhin Rechnungen bezahlt (Vermögenssorge), allenfalls Verträge abgeschlossen (Rechtsverkehr) werden. Und jemand wird zuständig sein müssen für die Fürsorge in persönlichen Angelegenheiten des Betroffenen. Dazu gehört auch die Gesundheitssorge sowie Hilfestellungen im Alltag.

Wer dafür in guten Zeiten für die Finanzsorge und den Rechtsverkehr eine Vollmacht erstellt hat, kann sich vorerst entspannen. Diese bleibt rechtskräftig bis zum Tod (oder bis zur Urteilsunfähigkeit). Ein klar formulierter Vorsorgeauftrag oder eine rechtsgültige Vollmacht über den Tod hinaus können verhindern, dass Behörden durch die KESB entsprechende Massnahmen ergreifen.

Es ist wichtig und richtig, dass wir uns im Klaren werden, was wir möchten. Und es ist notwenig, dass wir das im Dialog mit Menschen unseres Vertrauens teilen. Und es ist notwenig, dass wir das in einer Form festhalten, die auch von Institutionen akzeptiert ist und eingefordert werden kann.

Im Anbetracht der beschränkten Kapazitäten und Kräfte in Zeiten der Pandemie ist es umso wichtiger, schwierige Entscheidungen rechtzeitig selber zu entscheiden. Das zeigt auch die soeben ergänzten Richtlinien für ärztliches Personal, das oft in kritischen Situationen mit schwerwiegenden Entscheidungen auf sich selbst gestellt bleibt.

“Die SAMW (Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften) betont, es sei wichtig, mit allen Patienten, die dazu in der Lage seien, deren Willen für allfällige Komplikationen zu klären.  Konkret heisst das, dass jede und jeder von uns sich schon jetzt Gedanken darüber machen müsste, welche Behandlung im Ernstfall und bei knappen Ressourcen noch durchgeführt werden soll. Etwa, ob reanimiert oder künstlich beatmet werden soll. Verzichten die Ärzte im Rahmen einer Triage auf intensivmedizinische Massnahmen, so muss eine umfassende palliative Pflege gewährleistet sein. Auch das hält die SAMW-Richtlinie ausdrücklich fest. “ NZZ, 21. 03. 2020

Lassen sie sich beraten, schieben sie die wertvollen Überlegungen und Diskussionen mit sich selbst und den Menschen, denen sie vertrauen, nicht weiter auf. Auch der Verein Tenna Hospiz (tennahospiz.ch) ist bereit, Menschen in seinem Umfeld zu beraten und mit ihnen die gewünschten Formulierungen von Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag zu finden. Kontaktieren sie uns.

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Kolonialismus: Ewige Qualen?

 

Tantalus Butte – ein Wahrzeichen in Carmacks, Yukon. Es ist nach einer mythologischen Figur aus dem antiken Griechenland benannt.

Tantalos war vor allem für seine ewige Bestrafung bekannt. Er musste in einem Wasserbecken unter einem Obstbaum mit niedrigen Zweigen stehen, wobei die Früchte sich seinem Zugriff immer entzogen und das Wasser immer zurückging, bevor er etwas trinken konnte.

Was für ein Omen.

Historisch gesehen war es Frederick Schwatka, der “In A Summer in Alaska” (1893) beschreibt:

In der Gegend um die Mündung des Flusses Nordenskiöld war direkt vor unserem Floß nicht weniger als sieben Mal eine auffällige kahle Stelle zu sehen, und zwar auf ebenso vielen verschiedenen Flussabschnitten. Ich nannte ihn Tantalus Butte und war froh genug, ihn aus dem Blickfeld verschwinden zu sehen. 

Für Stammesangehörige der Northern Tutchone war er als Gun Tthi bekannt, was soviel wie “Wurmberg” bedeutet. Sie glaubten, dass ein riesiger Wurm mit Augen wie die Sonne auf dem Hügel lebte, und wenn sie beim Vorbeifahren auf dem Fluss zu viel Lärm machten, würde der Wurm einen großen Wind verursachen, der ihr Boot umkippen würde.

Und die Boote in Carmacks sind immer noch durcheinander. Viele der Menschen stehen in einem Becken mit klarem Wasser unter einem reichlich gefüllten Obstbaum mit niedrigen Ästen – und das gute Leben scheint nicht in Reichweite zu sein.

Der Junge, den ich regelmässig mit dem Schulbus von der benachbarten Einfahrt abholte: Er ist des vorsätzlichen Mordes angeklagt. Das Mädchen, das mir als Busfahrer mit einer Mischung aus Verachtung und Achtung begegnete – immer gut für ein Wortgefecht und dankbar für den zusätzlichen Service, wenn sie zu spät kam – starb als junge Frau auf einem Rettungsflug unter fragwürdigen Umständen. Ein Mann in meinem Alter, Sohn des Stammesältesten, der mich in den Stamm adoptieren wollte, verschwand wegen einer Flasche Schnaps: er wurde erstochen und im mächtigen Yukon River entsorgt.

Als ich als Teil der Ehrengarde bei der Zeremonie zur Unterzeichnung des Selbstverwaltungsabkommens zwischen der britischen Krone und der Little Salmon Carmacks First Nation stand – gekleidet in einen nagelneuen gelben Overall eines EFF (freiwilliger Waldbrandbekämpfer), der mir schließlich meinen indianischen Namen Tsüne Cho (“Bibo – Big Bird”) gab – hatte ich den Eindruck, dass die Gemeinde Carmacks auf dem Weg der Heilung war. Die Menschen machten sich auf eine gemeinsame Reise für eine bessere Zukunft (“Heute gemeinsam für unsere Kinder von morgen”, wie 1973 die Forderung nach Selbstverwaltung der Indianerstämme im Yukon betitelt war).

Der Schwerpunkt lag auf der Gemeindeentwicklung, auf der Aufbau der Selbstverwaltung, auf der Übernahme der Kontrolle über das Leben der indigenen Menschen nach einer langen Zeit der Kolonialisierung und der Bevormundung durch die staatlichen Behörden. Ich hatte den Eindruck, dass die Würmer des Alkohols und der Drogen und der Gewalt wieder in die brennenden Minenschächte von Coal Mine Hill und Tantalus Butte zurück krochen.

Jetzt, mehr als zwanzig Jahre später, und aus der Ferne, spüre ich, dass der Fluch der ewigen Qualen für das Volk der Northern Tutchone von Carmacks noch nicht gebrochen ist. Es ist traurig, von gewaltsamen Todesfällen, Kriminalität und mangelnder Verbesserung der interkulturellen Beziehungen zwischen den Vertretern des britischen Empire, der Mainstream-Kultur und der indigenen Bevölkerung zu lesen. Als Teil meiner eigenen Forschung über die Schönheit und die Herausforderungen der Arbeit mit indigenen Gemeinden bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es großer Anstrengungen bedarf, um mit den kolonialen Hinterlassenschaften und der genozidalen Politik, die die Beziehung zwischen den “verdammten Weißen” und den “betrunkenen Indianern” geprägt hat, Frieden zu schließen.

Wenn ich die Berichterstattung über die jüngsten rechtsmedizinischen Untersuchungen  und die Strafgerichtsverfahren lese, an denen Menschen beteiligt waren, die ich als Nachbarn in einer kleinen Gemeinde mit grossem Potenzial an den Ufern des Yukon und des Nordenskjold Rivers kennen gelernt habe, spüre ich, dass der Krieg noch immer andauert: Das Gesundheitspersonal wird beschuldigt, nicht das (medizinisch) Richtige zu tun; die Gemeindemitglieder üben wenig Kontrolle über ihren weniger-als-gesundheitsfördernden Lebensstil aus, erwarten aber vom kolonialen Gesundheitssystem ein magisches Heilmittel für die resultierenden Leiden; die Regierung des Yukon hat noch nicht einmal den Erhalt der Empfehlungen aus meiner eigenen Forschung für kleine politische Änderungen bestätigt, die die interkulturelle Beziehung verbessern und die kulturelle Sicherheit bei der Arbeit mit indigenen Gemeinden erhöhen könnten.

Es spielt keine Rolle, ob der markante Hügel in der Nähe von Carmacks mit seinem kolonialen oder seinem indigenen Namen bezeichnet wird: Beide Namen stehen für die Zwangslage einer Gemeinschaft, die sich auf vielen Ebenen nach Heilung sehnt um damit die Flüche des kolonialen Erbes zu brechen.

weiterführende Literatur:

Arnold, O. F. (2012). Reconsidering the “NO SHOW” Stamp: Increasing Cultural Safety by Making Peace with a Colonial Legacy. Northern Review, (36), 77-96. Retrieved from https://thenorthernreview.ca/index.php/nr/article/view/259

Arnold, O. F., & Bruce, A. (2005). Nursing practice with Aboriginal communities: Expanding worldviews. Nursing Science Quarterly, 18(3), 259–263. https://doi.org/10.1177/0894318405277632

Arnold, O. F. (2005). Nursing with indigenous communities: The question of membership. Retrieved from https://ofradix.net/2012/11/21/nursing-with-indigenous-communities-the-question-of-membership/

Arnold, O. F. (2004). Working in Aboriginal communities: What kind of health are we promoting? Retrieved from https://ofradix.net/2017/09/14/working-in-aboriginal-communities-what-kind-of-health-are-we-promoting/

für Zeitungsartikel der Yukon News zum Geschehen in Carmacks (gute und andere Neuigkeiten):

https://www.yukon-news.com/search/?cx=015619971846971042401%3Aufh1ywe-cms&ie=UTF-8&q=carmacks

Quelle für die historischen Hinweise zum Tantalus Butte: http://www.explorenorth.com/library/mining/tantaluscoal.html

Colonialism: Eternal punishment?

Tantalus Butte – a landmark in Carmacks, Yukon. It is named after a mythological figure from ancient Greece.

Tantalus was most famous for his eternal punishment. He was made to stand in a pool of water beneath a fruit tree with low branches, with the fruit ever eluding his grasp, and the water always receding before he could take a drink.

What an omen.

Historically, it was Frederick Schwatka who describes “In A Summer in Alaska” (1893):

In the region about the mouth of the Nordenskiöld River a conspicuous bald butte could be seen directly in front of our raft no less than seven times, on as many different stretches of the river. I called it Tantalus Butte, and was glad enough to see it disappear from sight. 

To the Northern Tutchone people, it was known as Gun Tthi, which means ‘worm hill’. They believed that a giant worm with eyes like the sun lived in the hill, and if they made too much noise while passing by on the river, the worm would cause a big wind that would upset their boat.

And the boats in Carmacks are still upset. Many of the people stand in a pool of clear water under an abundantly filled fruit tree with low branches – and the good life does not seem within reach.

The boy I used to regularly pick up with the school bus from the neighbouring driveway: accused of first degree murder. The girl that met me as the bus driver with a mix of contempt and regard – always good for a verbal fight and thankful for the extra service when running late – died as a young woman on a medevac flight under disputable circumstances. A man my age, son of the elder who wanted to adopt me into the First Nation, vanished for a bottle of booze: stabbed to death and disposed off in the mighty Yukon River.

When I stood as part of the honour guard at the ceremony for the signing of the self-government agreement between the British Crown and the Little Salmon Carmacks First Nation – dressed in a brand-new yellow jumpsuit of an EFF (emergency fire fighter), which eventually gave me my Indian name Tsüne Cho (“Big Bird”) – I became the impression that the community of Carmacks was on a healing way. The people embarked on a journey together for a brighter future (“Together Today for our Children Tomorrow”).

There was a strong focus on community development, on establishing self government, on taking control of indigenous peoples’ lives after a long period of colonization and paternalism by the state authorities. I had the impression that the worms of booze and drugs and violence started to crawl back into the burning mine shafts at Coal Mine Hill and Tantalus Butte.

Now, more than twenty years later, and from a distance, I sense that the curse of eternal punishment for the Northern Tutchone people of Carmacks is not broken yet. It is saddening to read of violent deaths, crime, and lack of improvement in the intercultural relationship between the representatives of the British Empire, the mainstream culture, and the indigenous people. As part of my own research into the beauty and challenges of working with indigenous communities, I concluded that it will take much effort to make peace with the colonial legacies and the genocidal policies that shaped the relationship between the “fuckin’ White man” and the “drunk Indian”.

Reading the news coverage of the latest coroner’s inquests and criminal court trials, involving people I got to know as neighbours in a small community with great potential on the banks of the Yukon and Nordenskjold Rivers, I sense that the war is still on: Health care staff are being accused of not doing the right (medical) thing; community members take little control of their less-than-health-promoting lifestyles but expecting a magic cure for their ills from the colonial health care system; the government of the Yukon has not even yet acknowledged the receipt of the recommendations from my own research for small policy changes that could improve the intercultural relationship and increase the cultural safety when working with indigenous communities.

It does not matter, whether the landmark hill near Carmacks is referred to by its colonial or its indigenous name: both names represent a predicament for a community that is longing deeply for healing at many levels, thus breaking the curses of the colonial legacy.

References:

Arnold, O. F. (2012). Reconsidering the “NO SHOW” Stamp: Increasing Cultural Safety by Making Peace with a Colonial Legacy. Northern Review, (36), 77-96. Retrieved from https://thenorthernreview.ca/index.php/nr/article/view/259

Arnold, O. F., & Bruce, A. (2005). Nursing practice with Aboriginal communities: Expanding worldviews. Nursing Science Quarterly, 18(3), 259–263. https://doi.org/10.1177/0894318405277632

Arnold, O. F. (2005). Nursing with indigenous communities: The question of membership. Retrieved from https://ofradix.net/2012/11/21/nursing-with-indigenous-communities-the-question-of-membership/

Arnold, O. F. (2004). Working in Aboriginal communities: What kind of health are we promoting? Retrieved from https://ofradix.net/2017/09/14/working-in-aboriginal-communities-what-kind-of-health-are-we-promoting/

for Yukon News coverage on Carmacks (good news and other news):

https://www.yukon-news.com/search/?cx=015619971846971042401%3Aufh1ywe-cms&ie=UTF-8&q=carmacks

for historical context on Tantalus Butte: http://www.explorenorth.com/library/mining/tantaluscoal.html

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“The plain fact is that the planet does not need more successful people. But it does desperately need more peacemakers, healers, restorers, storytellers, and lovers of every kind. It needs people who live well in their places. It needs people of moral courage willing to join the fight to make the world habitable and humane. And these qualities have little to do with success as we have defined it.”

(This quote is actually from environmental scientist David Orr’s book Ecological Literacy: Educating Our Children for a Sustainable World.)