Schwierige Entscheidungen – selber entscheiden

In Zeiten der Pandemie ist es genau so wichtig wie an jedem normalen Tag, dass jeder Mensch sich im Klaren ist, was er oder sie möchte, falls sie oder er nicht mehr fähig sein wird, selber zu entscheiden. Aus meiner Erfahrung – und ich hatte das während mehrerer Jahre selber praktiziert – schieben viele das Erstellen einer Patientenverfügung und eines Vorsorgeauftrags stetig vor sich her.

Das Wichtigste am Erstellen einer Patientenverfügung und eines Vorsorgeauftrages ist, dass wir uns in guten Zeiten überlegen, was einem persönlich wichtig ist im Leben. Genau so wichtig ist, dass man diese Gedanken und Überlegungen teilt mit den Menschen, denen man vertraut. 

Am Tag, wo wir betroffen werden von ersthafter Krankheit, Gebrechlichkeit oder einem Unfall, kann es zu spät sein, seinen eigenen Willen zu äussern. Deshalb sieht unser Gesetz vor, dass wir vorsorglich festhalten können, was uns wichtig ist und wie gewisse Fragen entschieden werden sollen, falls wir selber nicht mehr fähig sind dazu.

Die Medien sind derzeit voll von Berichten über Menschen, die in kürzester Zeit von leichten Grippesymptomen befallen eine schwere Lungenentzündung und Komplikationen entwickeln. Sie landen auf einer Intensivstation, werden sediert und mit intensivster medizinischer und technischer Unterstützung, Gesicht nach unten und isoliert von allen vertrauten menschlichen Kontakten behandelt. Diese Menschen haben keine Mitsprache mehr. Sie werden gelebt bis sie gesunden oder sterben.

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lebensrettende Intensivbehandlung im Spital (Bild via NZZ)

In einer Patientenverfügung können Menschen zum voraus bestimmen, ob sie im Falle eines solchen Krankheitsverlaufs bestimmte medizinische und technische Mittel in Anspruch nehmen wollen, falls sie nicht mehr bewusst entscheidungsfähig sein werden. Sie können auch bestimmen, dass sie in einer derart kritischen Situation beste Palliativmedizin in Anspruch nehmen wollen. Aus beiden Gruppen werden die einen weiter leben, andere sterben.

In einer Patientenverfügung können Menschen auch bestimmen, was ihnen wichtig ist. Mir ist es wichtig, dass ich jemanden in einer kritischen Situation zu meiner Seite habe. Das heisst während der Pandemie, dass ich keine Spitalbehandlung in Anspruch nehmen will, weil dort Besucher ausgeschlossen sind. Das heisst, dass ich durch den Hausarzt und die ambulanten Dienste medizinisch betreut werden will und so meinem Willen entsprechend umsorgt werden kann bis ich genese oder sterbe. 

Die Entscheidung über Leben oder Tod liegt sowieso nicht in der Kompetenz von Fachleuten und Institutionen. Das entscheidet das Leben, das aus meiner Sicht in einem göttlichen Grossen Ganzen eingebettet ist.

Mit dem Vorsorgeauftrag kann ich in guten Zeiten bestimmen, welche Person oder welche Personen für mich weiter Entscheidungen treffen, falls ich dazu nicht mehr in der Lage sein werde. Wenn ich sediert an einer Maschine hänge, müssen weiterhin Rechnungen bezahlt (Vermögenssorge), allenfalls Verträge abgeschlossen (Rechtsverkehr) werden. Und jemand wird zuständig sein müssen für die Fürsorge in persönlichen Angelegenheiten des Betroffenen. Dazu gehört auch die Gesundheitssorge sowie Hilfestellungen im Alltag.

Wer dafür in guten Zeiten für die Finanzsorge und den Rechtsverkehr eine Vollmacht erstellt hat, kann sich vorerst entspannen. Diese bleibt rechtskräftig bis zum Tod (oder bis zur Urteilsunfähigkeit). Ein klar formulierter Vorsorgeauftrag oder eine rechtsgültige Vollmacht über den Tod hinaus können verhindern, dass Behörden durch die KESB entsprechende Massnahmen ergreifen.

Es ist wichtig und richtig, dass wir uns im Klaren werden, was wir möchten. Und es ist notwenig, dass wir das im Dialog mit Menschen unseres Vertrauens teilen. Und es ist notwenig, dass wir das in einer Form festhalten, die auch von Institutionen akzeptiert ist und eingefordert werden kann.

Im Anbetracht der beschränkten Kapazitäten und Kräfte in Zeiten der Pandemie ist es umso wichtiger, schwierige Entscheidungen rechtzeitig selber zu entscheiden. Das zeigt auch die soeben ergänzten Richtlinien für ärztliches Personal, das oft in kritischen Situationen mit schwerwiegenden Entscheidungen auf sich selbst gestellt bleibt.

“Die SAMW (Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften) betont, es sei wichtig, mit allen Patienten, die dazu in der Lage seien, deren Willen für allfällige Komplikationen zu klären.  Konkret heisst das, dass jede und jeder von uns sich schon jetzt Gedanken darüber machen müsste, welche Behandlung im Ernstfall und bei knappen Ressourcen noch durchgeführt werden soll. Etwa, ob reanimiert oder künstlich beatmet werden soll. Verzichten die Ärzte im Rahmen einer Triage auf intensivmedizinische Massnahmen, so muss eine umfassende palliative Pflege gewährleistet sein. Auch das hält die SAMW-Richtlinie ausdrücklich fest. “ NZZ, 21. 03. 2020

Lassen sie sich beraten, schieben sie die wertvollen Überlegungen und Diskussionen mit sich selbst und den Menschen, denen sie vertrauen, nicht weiter auf. Auch der Verein Tenna Hospiz (tennahospiz.ch) ist bereit, Menschen in seinem Umfeld zu beraten und mit ihnen die gewünschten Formulierungen von Patientenverfügung und Vorsorgeauftrag zu finden. Kontaktieren sie uns.

Taking good care of each other

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Inuit Elders and family members at an afternoon gathering with traditional games and food (Gjoa Haven, Nunavut, Canada)

Last week the Paul Schiller Foundation published the report “Gute Betreuung im Alter – Perspektiven für die Schweiz” (‘Good Care in Old Age – Perspectives for Switzerland’). It shows the need for action in health and social policy for high quality and affordable care for the ageing.

A few weeks before I noticed an article in a regional news paper about the enormous value of volunteer work in Switzerland, an estimated CHF 35 billion. “The majority of informal volunteer work in 2014 is attributable to personal help and care… Personal assistance is the main occupation of informal volunteerism within family networks” (own translation from Freiwilligen-Monitor Schweiz 2016). I considered it to be a joke Continue reading “Taking good care of each other”

Gute Betreuung im Alter

pass the dice!
Inuit Älteste und Angehörige beim Altersnachmittag mit traditionellen Spielen und Speisen (Gjoa Haven, Nunavut, Kanada)

Letzte Woche hat die Paul Schiller Stiftung den Bericht “Gute Betreuung im Alter – Perspektiven für die Schweiz” veröffentlicht. Darin geht es in erster Linie darum, den gesundheits- und sozialpolitischen Handlungsbedarf für eine qualitätsvolle und bezahlbare Betreuung im Alter aufzuzeigen.

Schon vor einigen Wochen habe ich in einer regionalen Tageszeitung gesehen, welche enormen Kosten sich verstecken in der Freiwilligenarbeit, nämlich hochgerechnete 35 Mia CHF. “So entfällt auch im Jahr 2014 der grösste Teil informeller Freiwilligenarbeit auf persönliche Hilfe- und Betreuungsleistungen… Persönliche Hilfeleistungen machen gerade im Verwandtenkreis einen wesentlichen Teil informell freiwilliger Tätigkeiten aus” (Freiwilligen-Monitor Schweiz 2016). Ein absoluter Witz Continue reading “Gute Betreuung im Alter”

Working in Aboriginal communities: What kind of health are we promoting?

DSC01493.JPGWorking in Aboriginal Communities: What Kind of Health are we Promoting?

In this paper, I will explore the paradoxes and dilemmas embedded in intercultural health care practice. It is the intent of this work to reflect on theories and practices of Western-trained health care providers, consider the implications of our practice in an intercultural environment, and accept the invitation to the visitors on Aboriginal territory by Umeek to find guidance in scholarship from the world views as handed down over generations in First Nations creation stories (Atleo, 2004) to explore an Aboriginal understanding of health and health promotion.

Othmar F. Arnold, unpublished manuscript, University of Victoria BC, 2004

Individual beings are designed to help one another in order to fulfill the requirements of wholeness, balance and harmony, interconnection, and interrelationality. Therefore, to practice vanity as a lifestyle can be destructive. (Atleo, 2004, p. 35)

In the traditional Cree language of the Whapmagoostui, there is no word that translates directly into health (Adelson, 2000). In many Aboriginal worldviews, health is a desired state of the universe (Atleo, 1997). In our North-American context, it seems that health as an abstract and isolated concept that can be discussed and analyzed in a pure scholarly manner, a standard that needs to be achieved, is a phenomenon imported by the European colonizers of the continent. In the European tradition, physical and mental health are researched and discussed at least since the ancient Greek times. Since health is mostly defined as a state of physical and mental wellbeing, and therefore linked to the absence of disease and illness, it is associated with the biomedical sciences (Anderson & Reimer Kirkham, 1999). However, only within the last century was the medical profession successful in appropriating the definition of health and therefore dominating the health care system. Continue reading “Working in Aboriginal communities: What kind of health are we promoting?”

Palliative Care as form of worship?

An unusual point of view.

careTo mention the word God in conjunction with a well defined professional discipline seems rather strange in a secularized and science-informed society. Based on my own lived experience with human beings, whom I was able to accompany in living and in dying, I would yet dare to apply such a provocative point of view for some thoughts.

Eine deutsche Fassung des Eintrags gibt es hier zu lesen: Palliative Care als Gottes Dienst?

Palliative Care is a young, but nowadays recognized medical specialty that prides itself for working inter-disciplinary and for putting people’s comprehensive needs at the core of its practice. Why do these aspects have to be highlighted so much? Is it not absolutely self-evident to the average person and the affected? Would it be possible to conclude from this emphasis that the other medical specialties were too special to work inter-disciplinay? Continue reading “Palliative Care as form of worship?”

Palliative Care als Gottes Dienst?

Ein ungewöhnlicher Blickwinkel.

careIn einer säkularisierten und wissenschafts-orientierten Gesellschaft scheint es eher ungewohnt, im Zusammenhang mit einer gut definierten Fachdisziplin, das Wort Gott in den Mund zu nehmen. Aus meiner Erfahrung mit Menschen, die ich im Leben und im Sterben begleiten durfte, möchte ich es trotzdem wagen, einen solch provokativen Blickwinkel als Ausgangspunkt für einige Gedanken zu nutzen.

An English version of the article can be read here: Palliative Care as form of worship?

Palliative Care ist eine junge, heute anerkannte medizinische Spezialität, die sich rühmt fach-übergreifend zu arbeiten und die umfassenden Bedürfnisse des Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. Warum denn müssen diese Aspekte, die einem einfachen und betroffenen Menschen doch völlig selbstverständlich erscheinen, so hervor gehoben werden? Continue reading “Palliative Care als Gottes Dienst?”

Is perpetual direct democracy good for your health?

A friend of mine, Ion Delsol, operates a website – pasifik.ca – to support a vision of perpetual direct democracy. One of the experimental features is a section called “Now Polling” that is used to assess the will of the people on an ongoing basis. It is Ion’s firm belief that democracy should happen more often than on election day every four years. To read about Ion’s vision, visit this link: Perpetual Direct Democracy (available in Spanish as well).

I was recently asked by Ion to share my views and experiences of the health care system in British Columbia and Canada. The discussion started with a critique of the current health care system. It continued to consider more fundamental factors than bigger and better machines and shorter wait times: Social determinants of health. Income equality, social justice, and political empowerment will make people healthier.

Ion taped and edited the conversation and it will be broadcast on the community cable channel in British Columbia. The interview is also available online on pasifik.ca and YouTube:

Determinants of Health – Part 1

Determinants of Health – Part 2

Determinants of Health – Part 3

Determinants of Health – Part 4

Nursing with indigenous communities: The question of membership

Membership and belonging are important factors for well-being on an individual level. It is a topic that resonates strongly with me for a long time. In 2004/05, I have written an article on community membership and belonging from a nursing perspective with a particular focus on cross-cultural practice in indigenous communities. It was never published, but might be of interest to some.

Nursing practice with Aboriginal communities: An exploration of the question of membership.

Othmar F. Arnold, RN, MN,

Abstract

For most nurses working with Aboriginal people, such a posting is a professional challenge. Nurses do not hold any formal membership in the cultural and ethnically diverse communities they serve. The importance is placed on competent and efficient delivery of needed services for populations that are known for significant health disparities and marginalization. Drawing from Nuu-chah-nulth origin stories, it appears to be important for the realization of Aboriginal health, healing, and well being that health professionals acquire community membership. The difference between the two world views poses an ethical dilemma, possibly constituting a form of cultural imperialism. Nursing science based approaches for bridging the intercultural gap are explored.

Health Centre, Carmacks, Yukon, serving the Village of Carmacks and the Little Salmon/Carmacks First Nation

Content:

Membership from an Indigenous Perspective

Membership from a Discussion among Community Nurse Practitioners

Membership from a nursing theory perspective

Ethical questions

Recommendations for action at micro, meso, and macro level
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