Mirror, mirror

Which reality is reality for me? Is there a world in which the ego is not reflected?

(Larry Bell (*1939) Sans titre, 1971, Installation at MAMCO Geneva)

What does Narcissus see when he bends down to look at his own image in the reflecting water?


Himself, surrounded by the sky far above him. A lonely illusion.

(Augusto Giacometti (1877–1947) Narziss , 1905–1905, KKG Winterthur)

What is he missing when he views and perceives life this way?


The lived context around him. Everything important that is needed for a life in relationship and community.

(CDD20 via Pixabay) 

At which point is it justified to raise the mirror from the floor and hold it up to the other person? What are your thoughts on this?

Spieglein, Spieglein

Welche Wirklichkeit ist für mich Realität? Gibt es eine Welt, in der sich das Ego nicht spiegelt?

(Larry Bell (*1939) Sans titre, 1971, Installation im MAMCO Genève)

Was sieht Narziss wenn er nach vorne gebeugt sein Eigenbild im spiegelnden Wasser betrachtet?

Sich selber, umhüllt vom Himmel weit über ihm. Eine einsame Illusion.

(Augusto Giacometti (1877–1947) Narziss , 1905–1905, KKG Winterthur)

Was fehlt ihm in dieser Form der Betrachtung und Wahrnehmung?

Der gelebte Kontext um ihn herum. Alles Wichtige, was es für ein Leben in Beziehung und Gemeinschaft braucht.

(CDD20 via Pixabay) 

Wann ist es gerechtfertigt, dem Gegenüber den Spiegel vom Boden zu heben und hoch zu halten? Was sind eure Gedanken dazu?

Zurück in die Steinzeit?

Ein Zeitzeugnis aus meinem Leben – prophetisch und sicher kein Heimvideo.

DRS aktuell berichtete 1988 über einen Konflikt aus meinem Leben. Hier der Link zur ganzen Sendung von damals: https://www.srf.ch/play/tv/-/video/-?urn=urn:srf:video:fd4a80b9-a22d-4aa8-81b2-f2f618a48ffc

Diese Konfliktsituationen und ihre Bewältigung hatten konkrete Auswirkungen auf meinen Lebenslauf. 

Nach zwei kurzen Umwegen führte dieser mich nach Kanada (und damit weg von der Landwirtschaft und in die Pflegewissenschaft). Und nach 25 Jahren wieder zurück ins Safiental.

Wenn auch die damalige Wohngemeinschaft in Tenna keinen längerfristigen Bestand hatte, so war sie doch der Grundstein für das Projekt Tenna Hospiz, das erst sich Jahrzehnte später entfaltete.

Ich bin weiterhin verbunden mit allen Interviewten im Bericht, welchen ein Leben bis heute vergönnt ist. Und sie unterstützen den Verein Tenna Hospiz und die Wohngemeinschaft Alte Sennerei für den letzten Lebensabschnitt in ihrem Dorf.

Die Bank – längst wegrationalisiert und -fusioniert. Die Rinderrasse – keine Exoten mehr, sondern ein anerkannter Teil einer modernen Landwirtschaftin der ganzen Schweiz. Die Berg-Landwirtschaftsbetriebe im Safiental fast alle kontrolliert biologisch geführt und erfolgreich.

Demut – Humility

credit Thomas Feldmann

Demut – eine gegenkulturelle Perspektive und transformative Kraft.

Ich erkenne mich als Teil von etwas Grösserem, freiwillig und selbstbestimmt. Klein und zugleich wertvoll.

Dennoch ist kein Mensch und kein Ort zu klein um Grosses zu bewirken: Video Link

“Ich weiss, dass ich nichts weiss” (Sokrates). Nicht jede/r, die/er zwei Artikel im Internet über eine Sache gelesen hat, sollte sich dann auf Social Media als Experte zum Thema ergiessen. Da mangelt es an intellektueller Demut.
Positiv gesprochen, geht es um eine realistische Selbsteinschätzung und darum, immer lernfähig zu sein! (Godehard Brüntrup)

Immanuel Kant hielt Demut für ein Gefühl, das sich mit der Einsicht in die Begrenztheit unserer moralischen Vermögen einstellt. (NZZ)

Ein weiterer Aspekt der Demut bezieht sich auf den Umgang mit anderen Menschen. Bin ich offen für Neues, oder habe ich vorgefasste Meinungen und die anderen können nur im Lichte dieser Meinung erscheinen? (Brüntrup)

Demut ist lernbar – und sie überwindet Mut und Hochmut! Nicht aber den Mut zum Dienen.

Demut schafft Freiheit.

Ich kann mich von allem Überflüssigen im Leben befreien. Ich kann auch loslassen, was mich von der erfüllten Beziehung zum Selbst, zu Anderen und zum Göttlichen trennt (Kate McNally).

Denn, Demut schafft die Voraussetzung für die Überwindung des eigenen Narzissmus. Es glauben doch viele, dass das, was sie sind und erreicht haben, das hätten sie selbst erschaffen. Ohne das Grosse Ganze.

Demut in diesem Sinne ist eine Haltung, die das Leben sieht, wie es ist; eine Haltung, die darum weiß, dass Leben Sterben-müssen bedeutet. (Dienberg)

Demut ist also eine Überlebensfrage.

Auch wenn alles andere viel mehr Spass zu machen scheint 🙄 .


Herzlichen Dank für die Inspiration zum Thema: @cap! Magazin der Kapuziner https://www.kapuziner.org/wp-content/uploads/2023/12/cap_Winter-2023.pdf

Humility – a counter-cultural perspective and transformative power.

I recognise myself as part of something bigger, voluntary and self-determined. Small and valuable at the same time.

Nevertheless, no person and no place is too small to achieve great things: Linked Video

“I know that I know nothing” (Socrates). Not just anyone who has read two articles on the Internet about something should then pour themselves out on social media as an expert on the subject. There is a lack of intellectual humility.
On a positive note, it’s about realistic self-assessment and always being able to learn! (Godehard Brüntrup)

Immanuel Kant considered humility to be a feeling that arises when we realise the limitations of our moral capacities. (NZZ)

Another aspect of humility relates to our dealings with other people. Am I open to new ideas, or do I have preconceived opinions and others can only appear in the light of these opinions? (Brüntrup)

Humility can be learnt – and it overcomes courage and arrogance! But not the courage to serve.

Humility creates freedom.

I can free myself from everything superfluous in life. I can also let go of what separates me from a fulfilling relationship with myself, with others and with the divine (Kate McNally).

Humility is the prerequisite for overcoming one’s own narcissism. Many people believe that what they are and have achieved is something they created themselves. Without the big picture.

Humility creates freedom.

Humility in this sense is an attitude that sees life as it is; an attitude that recognises that life means having to die. (Dienberg)

Humility is therefore a question of survival.

Even if everything else seems to be much more fun 🙄 .

Many thanks for the inspiration on this topic: @cap! Magazine of the Capuchins

Journey of the Heart

“Do not forsake: The star is here and shines. […] The longing restlessness urges. […] Be open, my heart, and roam!”

“Behold, the wise men have set out. […] They will have feared their own bold heart a little […]. But the heart is strong and blessedly courageous. They obey it and go. And suddenly, when they have left home behind them, their heart becomes light, like the heart of someone who has dared everything and who is more courageous than one can actually be […]. They walk winding paths, but before God’s eyes it is the straight way to him […].”

“Break open, my heart, and keep going! The star is shining. You can’t take much with you on the way. And much will be lost to you on the way.”

(From: Karl Rahner, Kleines Kirchenjahr. Ein Gang durch den Festkreis, Freiburg/Br. 1981, 39-42)

This reflection at the end of the year describes the dynamic that gave rise to the Tenna Hospice project: “In the beginning there was a dream, a star that shone. But even the bold heart was afraid.”

It then took a silent retreat to realize the mission of not only dreaming such a dream, but also putting it into practice. I obeyed it and went.

Today I can say that “my heart became light and that I still have to walk winding paths. But the path leads to the goal, the dream became reality.”

I can’t (and don’t want to) take much with me. And a lot has also been lost on the way. Yes, I also see signs of the straight path.

Break open my heart and keep on going.

Herzenswanderung

„Verzage nicht: Der Stern ist da und leuchtet. […] Die sehnsüchtige Unruhe treibt. […] Brich auf, mein Herz, und wandre!“

„Siehe, die Weisen haben sich aufgemacht. […] Sie werden ihr kühnes Herz selbst ein wenig gefürchtet haben […]. Aber das Herz ist stark und selig mutig. Sie gehorchen ihm und gehen. Und plötzlich, als sie die Heimat hinter sich gelassen haben, wird ihr Herz leicht, wie das Herz eines, der alles gewagt hat und mutiger ist, als man eigentlich […] sein kann. Sie gehen verschlungene Pfade, aber vor Gottes Augen ist es der gerade Weg zu ihm […].“

„Brich auf, mein Herz, und wandre! Es leuchtet der Stern. Viel kannst Du nicht mitnehmen auf dem Weg. Und viel geht dir unterwegs verloren.“

(Aus: Karl Rahner, Kleines Kirchenjahr. Ein Gang durch den Festkreis, Freiburg/Br. 1981, 39-42)

Diese Reflexion zum Jahresende beschreibt die Dynamik, aus der heraus das Projekt Tenna Hospiz entstanden ist: Am Anfang war ein Traum, ein Stern der leuchtete. Doch selbst das kühne Herz fürchtete sich.

Es brauchte dann eine Auszeit um den Auftrag wahrzunehmen, einen solchen Traum nicht nur zu träumen, sondern auch umzusetzen. Ich gehorchte ihm, und ging.

Heute kann ich sagen, dass mein Herz leicht wurde und dass ich immer noch verschlungene Pfade gehen muss. Doch der Weg führt zum Ziel, der Traum wurde Wirklichkeit.

Viel kann (und will) ich nicht mitnehmen. Und vieles ist unterwegs auch verloren gegangen. Doch, ich sehe auch Hinweise für den geraden Weg.

Brich auf mein Herz und wandere fortan.

Der Ladenhüter

Diese Woche war mein letzter Einsatz im Volg-Dorfladen in Tenna/GR.

Während 8 Jahren habe ich mich im Dorfladen als Verkäufer engagiert – einfach weil es auch in einem kleinen Laden eine Aushilfe braucht damit die Bevölkerung und die Gäste guten Zugang haben zu den Artikeln des täglichen Bedarfs. Und die Ladenleiterin hat ja auch Freitage und Ferien zugut. 

Diese Stelle hat mir auch ein Einkommen verschafft, welches genügte, um mich nebenbei vollzeitig im Ehrenamt für das Projekt Tenna Hospiz einsetzen zu können.

Nun werde ich mich voll auf die Aufgabe als Sorgender Mitbewohner und Koordinator der Wohngemeinschaft Alte Sennerei im Tenna Hospiz und aufs älter werden konzentrieren – das letztere braucht nach Aussage von Mitbewohner Gian Pedretti (97) “ein bisschen Geduld”. Die Pensionierung kommt dann früh genug.

Selbst die HR Abteilung von Volg war damals besorgt, einen völlig ‘überqualifizierten’ (“sonä gschtodiertä”) Aushilfs-Verkäufer einzustellen. Es hat sich gezeigt, dass es möglich ist mit ein bisschen Geschick, Demut und Ausdauer das notwenige Wissen anzueignen um schön präsentieren, gut beraten und verkaufen zu können. Frisch und freundlich.

Ich bin sehr dankbar für meine Stelle im Dorfladen. Es gibt kein anderer Ort, an dem ein niederschwelligerer Zugang zu den Zielgruppen für das Projekt Tenna Hospiz möglich gewesen wäre. Der Dorfladen als Treffpunkt und als Ort, wo Sorgen geteilt werden. Neben der Kundenberatung und dem Verkauf kamen schnell direkte Seelsorge-Gespräche und medizinisch-pflegerische Beratungen zustande. Man kennt sich im Dorf.

Natürlich werde ich die ehemaligen Kundinnen und Kunden vom Dorfladen bei Gelegenheit im Sozialraum Café im Tenna Hospiz wieder treffen. Kaffee, Kuchen, ein offenes Ohr und Feines vom Ort werden dort zur Verfügung stehen.

Kaffee, Kuchen und Spiritualität

Es braucht drei Elemente zum Erfolg im Leben:

etwas das anregt – etwas das erhält – und etwas das nährt!

.

Hier die perfekte Illustration dazu aus meiner “Stillen Zeit” im Kloster bei den Kapuzinern in Rapperswil!

Natürlich stimmt das auch heute noch im Alltag der Pflege-Wohngemeinschaft “Alte Sennerei” im Tenna Hospiz.

etwas das anregt (das humorvolle Unerwartete) – etwas das erhält (Torte und Wein) – und etwas das nährt (Beziehung)!

Neue Gemeinschaften braucht das Land.

Wohngemeinschaft für den letzten Lebensabschnitt im Tenna Hospiz (photo credit: Ruben Weber)

for an English version, see below

Ich habe seit meinen Teenage Jahren ein Interesse am Leben in Gemeinschaft, aus spirituellen und politischen Gründen. Deshalb ist mir die Auseinandersetzung um die Weiterführung des Klosters Wonnenstein aufgefallen. Als fernab lebender Laie erkenne ich in diesem Spiel um Macht und Einfluss dieselben Mechanismen, die mich bewegt haben, 1979 aus der katholischen Landeskirche auszutreten: Eine Kirchgemeindeversammlung hörte sich an wie die GV einer Immobilienfirma.

Kathrin Klette stellt im Artikel “Die rebellische Nonne vom Kloster Wonnenstein” (NZZ, 23. April 2023) die Frage, welche Funktionen ein Kloster heute noch habe. Alle genannten Nutzungsvorschläge entspringen einer romantisierenden Vorstellung oder einer ausbeuterischen Absicht gegen die spirituellen Kräfte des Ortes. Und dem Geld verdienen. Klostergemeinschaften hatten zum Ziel – zum Wohle aller – Kraft aus dem Dialog mit dem Göttlichen zu schöpfen – nicht abzuschöpfen. Die assoziierten Missbräuche durch die Kirchen sind hinlänglich bekannt – vom Ablasshandel bis zur Gratisarbeit.

Ich bin weiterhin überzeugt, dass ein Leben in Gemeinschaft ein Lebensentwurf ist für die heutige Zeit. Eine kirchliche Institution braucht es dazu nicht. Etwas Glauben jedoch schon.

Dass dieser Wunsch gegenläufig ist zum Zeitgeist, zeigen die Schwierigkeiten für die Besetzung einer zivilgesellschaftlichen Wohn- und Arbeitsgemeinschaft für den letzten Lebensabschnitt im Safiental: Die Form (Idee) spricht viele an, doch das hyper-individualistische Leben im Überfluss eintauschen für eine sinnstiftende Beteiligung und für die Überwindung der eigenen existentiellen Einsamkeit kann sich kaum jemand aktiv vorstellen. 

Ich wünsche der verbleibenden Schwester ihren Weg mit Gott zu gehen – die Liegenschaften werden dann schon gewinnbringend verteilt. Allen andern wünsche ich den Mut, sich von der chronischen Affluenza zu befreien.

Als Leserbrief in der Print Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom 28. April 2023 veröffentlicht

In English:

New Communities are Needed

I have had an interest in communal living since my teens, for spiritual and political reasons.That’s why the controversy over the continuation of the Wonnenstein monastery caught my attention. As a layman living far away, I recognize in this game of power and influence the same mechanisms that moved me to leave the national Catholic church in 1979: A parish meeting sounded like the AGM of a real estate company.

In the article “Die rebellische Nonne vom Kloster Wonnenstein” (NZZ, April 23, 2023), Kathrin Klette asks what functions a monastery still has today. All of the mentioned suggestions spring from a romanticizing notion or an exploitative intention against the spiritual forces of the place. And to make money. Monastic communities had as their goal – for the common good – to draw strength from a dialogue with the divine – not to siphon it off. The associated abuses by the churches are well known – from selling indulgences to unpaid labor.

I remain convinced that living in community is a way of life for today. A church institution is not needed for this. A little faith, however, is.

This wish is contrary to the zeitgeist. This is shown by the difficulties recruiting for of a civil-society initiative with a communal residence for the last phase of life in the Safiental (Switzerland): The form (idea) appeals to many, but hardly anyone can actively imagine to trade their hyper-individualistic life in abundance for a meaningful participation and for overcoming one’s own existential loneliness.

I wish the remaining sister at Wonnenstein to go her way with God – the real estate of her monastery will then readily be distributed for profit. To all others, I wish the courage to free themselves from chronic affluenza.

Gendergerechte Schreibweise

HosenscheisserInnen, BünzlibürgerInnen, KompromisslerInnen

…ein Untertitel aus einem auf einer mechanischen Schreibmaschine vor mir verfassten und getippten “Aufruf zur Gründung eines Friedenskollektivs” aus dem Jahr 1978 oder 1979.

Heute ist gendergerechte Schreibweise in aller Menschen Munde. Darum hat es mich interessiert, wie alt dieser Trend eigentlich schon ist. Wikipedia schreibt dazu folgendes:

“Ab den 1940ern verbreitete sich die Schreibweise mit Schrägstrich plus BindestrichLehrer/-innen. Im Rahmen der zweiten Frauenbewegung ab den 1960ern wurde der Schrägstrich verstärkt eingesetzt, um Frauen sichtbar zu machen, während allgemein noch der Gebrauch von rein männlichen Personenbezeichnungen zur geschlechtlichen Verallgemeinerung üblich war (generisches Maskulinumalle Lehrer).

Ab den späten 1970er-Jahren entwickelte die Feministische Linguistik das Konzept der „geschlechtergerechten Sprache“ und passende Formulierungsmöglichkeiten, um Frauen auch sprachlich gleich zu behandeln. […]

1981 war der Vorschlag aufgekommen, den Schrägstrich mit dem nachfolgenden kleinen „i“ zum Großbuchstaben „I“ zusammenzuziehen, als „Binnen-I“ bezeichnet: LehrerInnen. “

Das abgebildete Dokument zeigt Versuche einer inklusiveren Schreibweise als Teil des Friedensprozesses. Und wenn ich den ganzen Artikel lese, einhält dieser auch eine Skizze meines Lebensweges.

Eine wahrliche Trouvaille, die vierzig Jahre in einer Kiste auf meines Bruders Estrich lagerte!

Trouser-shitters, cocksuckers, compromisers

…a subtitle from a “Call for the Foundation of a Peace Collective” written and typed by me on a mechanical typewriter in 1978 or 1979.

Today, gender-sensitive writing is on everyone’s lips. That’s why I was interested to know how old this trend actually is. Wikipedia in German writes the following about it:

“Starting in the 1940s, the spelling with slash plus hyphen spread: Lehrer/-innen. In the context of the second women’s movement, starting in the 1960s, the slash was increasingly used to make women visible, while the use of purely masculine personal designations for gender generalization was still common (generic masculine: all teachers).

Beginning in the late 1970s, feminist linguistics developed the concept of “gender-equal language” and appropriate ways of phrasing it in order to treat women equally in terms of language as well. […]

By 1981, a proposal had emerged to combine the slash with the following lowercase “i” to form the uppercase “I,” referred to as the “internal I.” Teachers=LehrerInnen. “

The document pictured shows attempts at more inclusive spelling as part of the peace process. And when I read the whole article, it also includes a sketch of my life’s journey.

A true trouvaille, stored in a box in my brother’s attic for forty years!

Verschwende Deine Zeit nicht!

Verschwende Deine Zeit nicht!


Ich bin mit der Devise “Verschwende deine Zeit nicht” aufgewachsen. Meine Eltern legten grossen Wert darauf, dass ihre Kinder das Beste aus ihrer Zeit machen (und auf keinen Fall ihre Zeit verschwenden). Erst jetzt erkenne ich, dass diese Einstellung nicht etwas rein Nützliches war – ein Weg, um aus der Misere herauszukommen und nach oben zu kommen. Sie hat tatsächlich biblische Wurzeln:

Macht das Beste aus der Zeit, denn die Tage sind böse. Eph 5:16 (ESV)

for an English version of this article: don’t waste your time


Für die Generation meiner Eltern und Grosseltern schien es zu funktionieren, das Beste aus ihrer Zeit zu machen. Sie alle haben ihre Wurzeln in einem agrarischen Lebensstil, der Optionen im Leben grösstenteils ausschloss und mit einer gehörigen Portion Schwerstarbeit, Knechtschaft, Elend und Armut verbunden war. Aber sie überwanden diese Last und schufen sich eine weitaus komfortablere weltliche Existenz.

Meine Grossmutter väterlicherseits verliess das Rittergut in Sachsen, auf dem sie aufwuchs, mit 18 Jahren. Ihre Familie “gehörte” seit Generationen dorthin und arbeitete in der Landwirtschaft für die Familie von Schönberg, der das Gut seit dem 13. Jahrhundert besass. Die Besitzer wohnten im Schloss, während die Familie meiner Grossmutter und alle anderen Landarbeiter in und über den Scheunen und Ställen wohnten und sich den Platz und den Status mit den Zugpferden, Rindern und anderem Vieh eng teilten. Und obwohl sie die manuelle Arbeit für einen der wichtigsten Nahrungsmittelproduzenten der Region leisteten, kannten sie den Hunger nur zu gut. Das Vieh und die Feldfrüchte, die sie züchteten, waren nicht für die Ernährung der Arbeiter bestimmt, sondern sollten auf profitablen Märkten zu einem guten Preis verkauft werden. Die Arbeiter und ihre Familien durften die Felder nach der Ernte für den Eigenbedarf bewirtschaften. Die einzige Quelle für tierisches Eiweiss waren die Fischköpfe, die sie vom Fischhändler bekommen konnten, weil er keine andere Verwendung dafür hatte. Noch Jahrzehnte später konnte Oma einen herrlichen Fischkopfeintopf zubereiten – aber sie teilte ihn oft nicht mit ihrer Familie. Sie schämte sich wegen der Stigmatisierung: Menschen, die Fischköpfe essen, sind arm und möglicherweise faul. Hätten sie doch nur ihre Zeit besser genutzt…


Mein Grossvater mütterlicherseits hatte seine eigene Geschichte der Ausgrenzung. Er wuchs in einer Familie von Wanderarbeitern im Napfgebiet in der Schweiz auf. Die Heuböden der relativ wohlhabenden Bauern waren oft sein Zuhause. Schon in jungen Jahren wurden seine Zeit und sein handwerkliches Geschick von der Familie für das schlichte Überleben benötigt. Er war sehr geschickt und kenntnisreich in vielen bäuerlichen Arbeiten. Sieben Winter lang konnte er die Schule in Teilzeit besuchen, je nach Arbeitsanfall und Wetterbedingungen zwischen den abgelegenen Bauernhöfen und der kleinen Einraumschule. Er schloss die Schule schliesslich mit der vierten Klasse ab.

Aber alle meine Grosseltern konnten sich aus der bitteren Armut befreien und aus dem vorindustriellen Leben auf den Bauernhöfen in ein industrielles Leben aufsteigen. Beide Grossväter wurden Lastwagenfahrer mit der ersten Generation von motorisierten Fahrzeugen. Beide Grossmütter arbeiteten in der Gastronomie, bis sie heirateten und zu Hausmüttern wurden. Sie nutzten ihre Zeit sinnvoll, bildeten sich weiter und arbeiteten hart und sicherten sich so einen festen Arbeitsplatz, ein Einkommen und eine Rente. Sie zogen in die Stadt und konnten sich eine menschenwürdige Mietwohnung in einer Arbeiterwohnbaugenossenschaft leisten.

Sie haben den Glauben vorgelebt und weitergegeben, dass man es schaffen und aufsteigen kann, wenn man keine Zeit und Mühe verschwendet. Meine Eltern hatten die Möglichkeit, die Oberstufe abzuschliessen und einen Beruf zu erlernen, weil ihre Familien finanzielle Opfer brachten und hart arbeiteten. Mein Vater musste seine Ausbildung am Technikum fortsetzen und Abendkurse besuchen, während er Vollzeit arbeitete. Er wurde schliesslich Ingenieur und war die erste Person in der Familie, die einen Diplomabschluss hatte. Das ermöglichte meinen Eltern den Aufstieg in die Mittelschicht der Gesellschaft. Es ließ sie auch glauben, dass es für ihre Kinder kein Hindernis geben würde, es bis ganz nach oben zu schaffen: Reichtum, Ansehen und möglicherweise Ruhm waren in Sicht.

Was meine Eltern nicht wussten, war, dass die nächste Stufe der Aufwärtsmobilität in einer globalisierten Gesellschaft weitaus komplexer war als nur die bestmögliche Nutzung von Zeit und Mühe. Zeit wurde zu einer Ware, und nur wer seine Zeit kaufen konnte, hatte echte Chancen: Es reichte nicht mehr aus, hart zu arbeiten – jetzt war es erforderlich, sich zu vernetzen und Multitasking zu betreiben, sich an vielen Aktivitäten und Ursachen zu beteiligen, um voranzukommen (oder aufzusteigen). Ein einziges Einkommen reichte nicht mehr aus, um eine Familie zu versorgen, wohlhabend zu werden, Eigentum anzuhäufen und für die Zukunft vorzusorgen.

An diesem Punkt begann ich zu rebellieren und die zugrunde liegenden Annahmen über die Nutzung der Zeit in meinem Leben ernsthaft zu hinterfragen. Warum war es zwingend notwendig, die Zeit in Arbeitszeit (zunehmend), Familienzeit (abnehmend), Freizeit und Spass (wenn möglich) aufzuteilen? Warum war es nicht möglich, zu derselben Zeit und an demselben Ort zu lernen und zu arbeiten, an dem ich lebe und am Leben teilhabe, an dem ich mich amüsieren und gesund bleiben kann?

Alles ist eins – ich sehe das Leben immer noch als eine Einheit von Lieben, Arbeiten und Nachdenken.

Aber das heutige Leben ist immer mehr aufgeteilt, was nur möglich ist, wenn wir die Mittel haben und uns leisten können, schnell und effizient von einer Abteilung in die nächste zu wechseln – entweder durch Hetzen und Fahren von einer Sache zur nächsten oder heutzutage durch Multitasking mit einer ganzen Reihe von Gadgets: Es ist möglich, E-Mails zu checken und gleichzeitig zu telefonieren, während man zum nächsten gewünschten Termin fährt. Und wir kommen an einen Punkt, an dem es akzeptabel wird, Dinge unvollständig oder ungeschliffen zu lassen, weil wir alle wissen, dass die Zeit nicht ausreichen wird, um alles zu erledigen.

Wenn du keine Zeit hast, es richtig zu machen, wann wirst du dann Zeit haben, es noch einmal zu machen? (John Wooden)


Ich kann die Erschöpfung bereits spüren, während ich dies schreibe. Die Zeit optimal zu nutzen, hat eine Bedeutung und Intensität erreicht, die für die Generation unserer Eltern unvorstellbar war. Sprechen wir immer noch von demselben Zeitkonzept, das ich vorhin anhand eines biblischen Beispiels erwähnt habe?

Interessanterweise gibt es im Griechischen zwei verschiedene Begriffe, die routinemäßig mit Zeit übersetzt werden, nämlich Χρόνος (chronos) und καιρός (kairos). Ich wurde an diese Unterscheidung erinnert, als ich einen Artikel über die Askese der Zeit von James D. Whitehead las (Review for Religious, 39(1980), S. 3-17).

Chronos bezeichnet die Dauer, das Vergehen der Zeit, den chronologischen Verlauf und die Kontinuität von der Vergangenheit zur Gegenwart und in die Zukunft. Dies ist die Zeit, die wir gut kennen, die Zeit, die knapp wird, die abläuft und die verschwendet oder klug und effizient genutzt werden kann. Auf der anderen Seite gibt es den Kairos, die Zeit der Gelegenheit und des Anlasses – etwas, das wir in der Umgangssprache als den richtigen Zeitpunkt bezeichnen würden. Der richtige Zeitpunkt ist nicht messbar oder mit der Uhr bestimmbar. Er beruht auf einer Bedeutung, die tief in der persönlichen oder kollektiven Erfahrung und Spiritualität verankert ist.


Whitehead unterscheidet eine Triade von Lebens- und Erfahrungsweisen der Zeit: Er postuliert ein Kontinuum von Dissipation über Konzentration bis hin zu Zwang. Zerstreuung ist der Modus, den wir als Langeweile, als Plackerei der Zeit erleben. Sie charakterisiert Sinnlosigkeit und Richtungslosigkeit. “Das Leben geht weiter, oder es entgleitet, oder es wendet sich ab, aber es genießt keine besondere Energie oder Konzentration” (S.8). Die No-Future-Bewegung und -Generation verkörpert diesen Modus der Zeit auf dramatische Weise: Die Menschen wissen nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen und finden manchmal ein Ventil für ihre Energie in gewalttätigen Verhaltensweisen.

Das andere Extrem ist der Zwang, die zwanghafte Fokussierung: Dinge müssen erledigt werden, die Menschen fühlen sich getrieben, und bestimmte Unternehmungen absorbieren unsere ganze Aufmerksamkeit und vernachlässigen andere Aspekte unseres Lebens. Das ist die Vision, die meine Eltern für ihre Kinder hatten: es bis an die Spitze zu schaffen und anderen zu beweisen, dass ich etwas zustande bringen kann. Sie ist eingebettet in die postmoderne Verherrlichung der (ewigen) Jugend und die Angst vor dem Altern und Sterben. Sie ist auch in der Wirtschaftstheorie des ständigen Wachstums verankert. Die Menschen werden in ein Rattenrennen hineingezogen, bis sie zusammenbrechen.

Zwischen den beiden Extremen liegt der Modus der Konzentration als eine dritte Art von Zeit und Lebenserfahrung. Dies sind die Momente oder Perioden im Leben, in denen wir uns gegenwärtig fühlen und uns auf harmonische Beziehungen konzentrieren, einen Sinn in unserer Existenz und unseren täglichen Aktivitäten jenseits von Vergleich, Wettbewerb und Gewinn finden und Zeit haben, über das “Hiersein” nachzudenken und es zu schätzen.

Whitehead sieht Chronos in beiden Extremen des Spektrums am Werk, qualifiziert aber die konzentrierte Lebensweise als kairotisch – als heilige Zeit. Wann immer wir einen Moment im kairos erleben, erfahren wir ihn als Geschenk. Leider haben unsere Gesellschaft und Wirtschaft auch eine ganze Industrie hervorgebracht, die diese menschliche Sehnsucht nach Kairos-Erfahrungen ausnutzt, indem sie eine endlose Reihe von Ersatzprodukten verkauft, die unsere Bücherregale oder Terminkalender noch weiter füllen können.

Zeit ist das, was wir am meisten wollen, aber was wir am schlechtesten gebrauchen (William Penn, Vorwort zu Some Fruits of Solitude In Reflections And Maxims, 1693)


Diese Perversion der Zeit und ihrer Erfahrung als Mensch scheint sich in dem Zitat von William Penn widerzuspiegeln das auf die ständige Sehnsucht nach heiliger Zeit hinweist, während wir in Echtzeit agieren, sei es, indem wir Zeit verschwenden oder indem wir auf den unaufhörlichen Druck und die Erwartungen reagieren, die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik dem Leben auferlegen.

Kairos ist der Ausdruck von Zeit, in der wir als Menschen mit einer höheren Macht, mit Gott, verbunden sind. Wie ich in einem früheren Beitrag schrieb, muss und will ich die Fähigkeit erlernen, innezuhalten und zuzuhören. Diese Fähigkeit ist das, was Whitehead als Askese der Zeit beschreibt. Sie beginnt damit, dass wir uns Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, wie wir unser tägliches Leben strukturieren, wie wir unsere Ziele und Bestrebungen im Leben festlegen. Wir müssen erkennen, dass leere Räume keine Zeitverschwendung sind, sondern eine Gelegenheit zum Gebet und zur Reflexion. Aber eine Askese der Zeit ist viel mehr als ein gutes Zeitmanagement, denn dabei geht es um die messbaren Qualitäten des Chronos. Es geht um die Erkenntnis, dass wir von der Führung abhängig sind, dass wir unbedeutende, aber wesentliche Teilchen in einem Universum sind. Es geht um die Erkenntnis, dass wir, wenn wir uns die Zeit nehmen, innezuhalten und zuzuhören, den richtigen Zeitpunkt kennen lernen, eine Gelegenheit, die manche als den Willen Gottes bezeichnen. Anstatt Dinge schnell zu tun, können wir jetzt lernen, sie richtig zu tun!

Auf diese Weise nutzen wir unsere Zeit am besten, und die Tage sind nicht mehr böse.

Ich denke immer noch über die Lebenserfahrung meiner Eltern und Grosseltern nach. Wie viel wussten sie über die Unterscheidung von Chronos und Kairos, darüber, weniger in den Extremen als auf dem Kontinuum zwischen Ausschweifung und Zwang zu leben? Unabhängig davon, ob sie sich dieser theoretischen Dinge bewusst waren oder nicht, haben sie mir einen Sinn für das Richtige vermittelt, den ich mit den Menschen um mich herum teilen und an die nächste Generation weitergeben möchte.

Don’t waste your time!

Vergeude deine Zeit nicht! Gedanken, die meinen heutigen Lebensweg vorzeichneten… #tennahospiz

OFRADIX

I was brought up with the mantra don’t waste your time. My parents were quite insistent that their children make the most of their time (and definitely not waste theirs). Only now do I realize that this attitude was not something purely utilitarian – a way to make it out of misery and to the top. It actually has biblical roots:

Make best use of the time, because the days are evil. Eph 5:16 (ESV)

For my parents’ and grandparents’ generation making most of their time seemed to have worked. They all have roots in an agrarian lifestyle – something that for the most part excluded options in life, and was equally associated with a good measure of back-breaking labour, servitude, misery and poverty. But they overcame the burden thereof and created for themselves a much more comfortable worldly existence.

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Ein Quäker quakt…

Ein Quäker quakt…

“Ob ein Quäker den ganzen Tag quakt” wurde ich heute in einer Pilgergaststätte im Schwarzwald gefragt.

Vielleicht schon – denn auch Quäker sind nur Menschen.

Ich hatte die Gelegenheit, am Treffen der deutsch-sprechenden Quäker mich auszutauschen über das Thema ‘Verbundenheit’. Womit fühle ich mich verbunden im Leben? Nach unten – im Sinne einer Verwurzeltheit; nach oben – mit dem Unsagbaren, dem Göttlichen? Oder in die Breite, im Sinne gelebter Gemeinschaft mit meinen Mitmenschen?

Quäkertum zeigt sich nicht in einem Glaubensbekenntnis, sondern im Bemühen, das eigene Leben entsprechend einer spirituellen Erfahrung des „Inneren Lichts“ zu leben. Glaube und Wirken sind untrennbar miteinander verbunden. Entsprechend der Aufforderung „Laßt euer Leben sprechen!“ predigen sie in der Welt nicht mit Worten. (quaeker.org)

Wie ich meinen Glauben im Alltag in Wirken umsetze, und wie ich in der Palliative Care Verbundenheit ausdrücken kann, habe ich im folgenden Artikel versucht zu beschreiben: Palliative Care als Gottes Dienst

Eine spirituelle Verbundenheit braucht kaum Worte, und deshalb ist es allenfalls das Ego, das quakt.

Skilled worker shortage vs. consecrated Life

Skilled worker shortage vs. consecrated Life

What is there against living a consecrated life in this day and age? Consecrated to life, not to a church organization.

I grew up and was socialized in a Christian environment. I acknowledge those roots of my experience, actions, and decision making as part being in this world. I acknowledge at the same time that Christian thought is one of various worldviews and images of God. This is because the divine is universal and manifests itself in every culture and can be perceived accordingly by all people – in a variety of ways.

It is also a core statement of my Quaker understanding of faith that the divine spark is present in every human being. The difficulty lies only in the openness and curiosity to want to recognize this spark.

Nor do I allow myself to be distracted by the currents of spiritual stretching exercises that are now recognized as substitutes for religion. Not by the arbitrariness of beliefs that seem like justifications of a particular way of life in a consumer society. Gospel of prosperity – endless loop of the search for meaning in retreats, workshops and pilgrimages around the globe – miracle cures through superfoods, body cult in Spandex, drugs and complementary therapies – short mindfulness session before the next cheer with bubbly drinks in the global casino!

I am drawn to the root, to radicality. Therefore, in this complex world, I have nothing better to do than to greet my roommates in the morning, change the wet pants, vacuum the staircase, explain the mailbox key for the seventeenth time – to manage everyday life together. To consecrate my life to life and to humanity. In this respect, I see myself as almost complicit in today’s much-vaunted shortage of skilled workers in our economy.

Of course, the academic qualifications and diplomas help me to move in this world and to create a simple life in it. Besides contemplation, my analytical thinking and a scientific approach enable me to deal with the abundance of information – also to separate the essential from the superfluous. To fade out stock prices, sports news, lifestyle recommendations in order to preserve the necessary calm and silence, which makes it possible for me to perceive the divine voice – these universal signs of the existential – to take them seriously and to implement them for an approach of a consecrated life in a secular society.

Fachkräftemangel vs. geweihtes Leben

Fachkräftemangel vs. geweihtes Leben

Was spricht dagegen in der heutigen Zeit ein geweihtes Leben zu führen? Geweiht dem Leben, nicht einer kirchlichen Organisation.

Ich bin in einem christlich geprägten Umfeld aufgewachsen und sozialisiert worden. Ich anerkenne diese Wurzeln meiner Erfahrung, meines Handelns und meiner Entscheidungsfindung als Teil von mir in dieser Welt. Ich anerkenne gleichzeitig, dass das christliche Gedankengut eine von verschiedenen Weltanschauungen und Gottesbilder ist. Denn das Göttliche ist universell und zeigt sich in jeder Kultur und kann entsprechend wahrgenommen werden von allen Menschen – in vielfältiger Art.

Es ist auch eine Kernaussage meines quäkerischen Glaubensverständnis, dass der göttliche Funke in jedem Menschen präsent ist. Die Schwierigkeit liegt einzig in der Offenheit und der Neugier, diesen Funken sehen zu wollen.

Ich lasse mich auch nicht ablenken von den Strömungen der spirituellen Streckübungen, die heute als Religionsersatz anerkannt werden. Nicht von der Beliebigkeit der Glaubenssätze, die wie Rechtfertigungen des jeweiligen Lebensentwurfes in der Konsumgesellschaft erscheinen. Wohlstandsevangelium – Endlossschlaufe der Sinnsuche in Retreats, Workshops und Pilgerreisen um den ganzen Globus – Wunderheilungen durch Superfoods, Körperkult in Spandex, Medikamente und komplementäre Therapien – kurze Achtsamkeitssession vor der nächsten Cüplirunde im globalen Casino!

Es zieht mich hin zur Wurzel, in die Radikalität. Deshalb habe ich in dieser komplexen Welt nichts besseres zu tun als meine Mitbewohner am Morgen zu begrüssen, die genässten Pants zu wechseln, das Treppenhaus zu saugen, zum siebzehnten Mal den Briefkastenschlüssel erklären – gemeinsam den Alltag zu bewältigen. Mein Leben dem Leben und der Mitmenschlichkeit zu weihen. Da sehe ich mich schon fast mitschuldig am heute vielbesungenen Fachkräftemangel in unserer Wirtschaft.

Natürlich helfen mir die akademischen Qualifikationen und Diplome mich in dieser Welt zu bewegen und ein einfaches Leben darin zu ermöglichen. Nebst der Kontemplation ermöglicht mein analytisches Denken und eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mir mit der Fülle von Informationen umzugehen – auch das Wesentliche vom Überflüssigen zu trennen: Aktienkurse, Sportmeldungen, Lifestyleempfehlungen auszublenden um die notwenige Ruhe und Stille zu wahren, die es mir erst möglich macht, die göttliche Stimme – diese universellen Zeichen des Existentiellen – wahr zu nehmen, ernst zu nehmen und umzusetzen für einen Ansatz eines geweihten Lebens in einer säkularen Gesellschaft.